Ein Schwerbehindertenausweis ist ein amtliches Dokument, das in Deutschland an Menschen ausgegeben wird, die aufgrund einer Behinderung in ihrem alltäglichen Leben besondere Herausforderungen meistern müssen. Der Ausweis dient dazu, bestimmte Rechte und Vergünstigungen zu gewähren, um ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern und die finanzielle Belastung zu verringern. Der Schwerbehindertenausweis hat einige Vorteile für Betroffene, kann aber auch Nachteile mit sich bringen. Wir erklären Ihnen, wer Anspruch auf den Ausweis hat und wie Sie ihn beantragen können.
Wer hat Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis?
Im Schwerbehindertenausweis wird der Grad der Behinderung (GdB) auf einer Skala von 0 bis 100 in Zehnerschritten angegeben. Ab einem GdB von 50 wird die betroffene Person als schwerbehindert anerkannt. Je höher der GdB, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen der Behinderung auf das tägliche Leben. Den Grad der Behinderung erhalten grundsätzlich:
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Menschen mit körperlichen Einschränkungen, z.B. durch eine chronische Erkrankung, eine angeborene Behinderung, eine Verletzung oder eine Amputation.
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Menschen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen, z.B. durch eine Entwicklungsstörung, eine psychische Erkrankung oder eine Lernbehinderung.
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Menschen mit Sinnesbehinderungen, z.B. Seh- oder Hörbehinderungen.
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Menschen, die von einer schweren chronischen Erkrankung betroffen sind, z.B. Krebs, Multiple Sklerose oder Rheuma.
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Menschen, die aufgrund ihres Alters oder einer Pflegebedürftigkeit auf Hilfe angewiesen sind.
In unserem Artikel „Grad der Behinderung – Tabelle“ erfahren Sie welcher GdB für die häufigsten Behinderungen und chronischen Erkrankungen vergeben wird.
Es ist auch möglich, mit einem GdB unter 50 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt zu werden. Die Gleichstellung wird jedoch nicht beim Versorgungsamt, sondern bei der Agentur für Arbeit beantragt. Hierfür muss ein GdB von mindestens 30 vorliegen.
Es ist jedoch auch wichtig zu beachten, dass nicht alle Behinderungen automatisch einen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis begründen. Vielmehr hängt dies von der individuellen Beeinträchtigung und den Auswirkungen auf das tägliche Leben ab.
Was sind die Vor- und Nachteile eines Schwerbehindertenausweises?
Einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen ist für manche Betroffene eine Herausforderung, da die Bezeichnung als „schwerbehindert“ im Berufsleben und Alltag als belastend empfunden werden kann. Allerdings bietet der Ausweis auch Vorteile wie Rechtssicherheit und Ausgleichsmöglichkeiten für die Nachteile, die durch eine Behinderung entstehen können. Einige Vorteile sind:
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Rechtssicherheit: Der Schwerbehindertenausweis bescheinigt offiziell, dass eine Behinderung vorliegt und schafft damit Klarheit für alle Beteiligten.
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Steuererleichterungen: Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis können unter bestimmten Bedingungen Steuererleichterungen in Anspruch nehmen.
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Zusätzliche Urlaubstage: Ab einem GdB von 50 haben Betroffene Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage.
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Schutzrechte am Arbeitsplatz: Arbeitgeber dürfen Betroffene erst nach sechs Monaten fragen, ob eine Schwerbehinderung vorliegt. Zudem gibt es spezielle Schutzrechte am Arbeitsplatz, um Diskriminierung zu vermeiden.
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Ausgleichsmöglichkeiten: Je nach Merkzeichen und Grad der Behinderung gibt es zusätzliche Ausgleichsmöglichkeiten wie kostenlose Beförderung im Nah- und Regionalverkehr oder Vergünstigungen in städtischen Einrichtungen.
Dennoch ist nicht zu verachten, dass der Schwerbehindertenausweis auch Nachteile mit sich bringen kann. Einige wesentliche sind:
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Stigmatisierung: Die Bezeichnung als „schwerbehindert“ kann im Berufsleben als belastend empfunden werden und zu Stigmatisierung führen.
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Einschränkungen: Der Schwerbehindertenausweis bescheinigt eine „Einschränkung“ der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, was sich auf die allgemeine Wahrnehmung und das Selbstbild auswirken kann.
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Komplexität: Der Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis und die Einordnung des GdB können komplex sein. Auch die Nutzung von Ausgleichs- und Zusatzleistungen kann mit einem gewissen Aufwand verbunden sein.
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Arbeitsplatz: Arbeitgeber haben laut Gesetz zwar keine Möglichkeit, Bewerber*innen nach einer Schwerbehinderung zu fragen, aber in der Praxis kann es dennoch vorkommen, dass Sie aufgrund Ihres Ausweises diskriminiert werden.
Wie läuft der Antrag ab?
Um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, müssen Sie einen Antrag beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Nach einer Untersuchung durch eine*n Gutachter*in des Versorgungsamts wird der GdB festgestellt und in einem schriftlichen Bescheid – dem Feststellungsbescheid – mitgeteilt. Menschen mit einer Behinderung haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis, wenn der GdB bei mindestens 50 liegt und die Beeinträchtigungen voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.
Die Bearbeitung des Antrags und die Feststellung des GdB einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher empfiehlt es sich häufig, bereits vor Antragstellung eine Beratungsstelle aufzusuchen, um sich über die Voraussetzungen für eine Anerkennung als schwerbehindert zu informieren und Unterstützung bei der Antragstellung zu erhalten. Wir erklären Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen können.
Wichtige Fragen und Antworten zum Schwerbehindertenausweis:
Da der Schwerbehindertenausweis und die Einordnung des GdB oft viel Zeit und Mühe erfordern, beantworten wir Ihnen hier zusammengefasst die wichtigsten Fragen.
Welche Rechtsgrundlage zum Schwerbehindertenausweis gibt es?
Die Rechtsgrundlage für den Schwerbehindertenausweis ist das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Dieses Gesetz regelt die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und legt unter anderem fest, wer als schwerbehindert gilt und welche Rechte und Leistungen Ihnen zustehen. Der Schwerbehindertenausweis dient dabei als Nachweis für den Grad der Behinderung und die damit verbundenen Ansprüche. Weitere Details regelt die Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV).
Wie lange dauert die Bearbeitung des Antrags?
Die Bearbeitungsdauer für den Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis kann je nach Bundesland und zuständiger Behörde variieren. In der Regel dauert es jedoch mehrere Wochen bis hin zu einigen Monaten, bis der Antrag bearbeitet und der Ausweis ausgestellt wird. Es ist daher ratsam, den Antrag frühzeitig zu stellen und gegebenenfalls nachzufragen, ob alle erforderlichen Unterlagen vorliegen und ob weitere Informationen benötigt werden.
Wie lange ist der Ausweis gültig?
Die Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises beträgt in der Regel fünf Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit muss der Ausweis erneuert werden, sofern die Schwerbehinderung noch besteht oder der Grad der Behinderung sich verändert hat. In manchen Fällen kann der Ausweis auch befristet ausgestellt werden, beispielsweise wenn eine Besserung der gesundheitlichen Situation in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
Was ist der Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat?
Seit 2015 wird der Schwerbehindertenausweis nur noch im Scheckkartenformat ausgestellt. Dieser hat den Vorteil, dass er handlicher und sicherer als der frühere Ausweis im Papierformat ist. Der Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat enthält alle wichtigen Angaben zum Inhaber, inklusive Lichtbild und Unterschrift.
Der Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat hat die gleichen Funktionen wie der frühere Ausweis im Papierformat und berechtigt zu denselben Nachteilsausgleichen. Zudem enthält der Ausweis im Scheckkartenformat hinweise zur Schwerbehinderungen in englischer Sprache, was Ihnen bei Reisen im Ausland helfen kann.
Wie kann ich meinen Schwerbehindertenausweis verlängern?
Um den Schwerbehindertenausweis zu verlängern, müssen Betroffene einen entsprechenden Antrag bei der für sie zuständigen Behörde stellen. Dies ist in der Regel das für Ihren Wohnort zuständige Versorgungsamt. Der Antrag kann in der Regel formlos gestellt werden und sollte alle relevanten Informationen zur eigenen Person und zur Schwerbehinderung enthalten.
Es ist wichtig, den Antrag rechtzeitig zu stellen, da die Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Idealerweise sollte der Antrag mehrere Monate vor Ablauf des bisherigen Ausweises gestellt werden. Bei der Antragstellung können auch die notwendigen Unterlagen angefordert werden, die für die Verlängerung des Ausweises benötigt werden, wie zum Beispiel ärztliche Bescheinigungen oder Gutachten.
Nach Prüfung des Antrags und Vorlage der erforderlichen Unterlagen wird der Schwerbehindertenausweis verlängert und ein neuer Ausweis ausgestellt. Die Gültigkeitsdauer beträgt erneut in der Regel fünf Jahre.
Was mache ich, wenn sich mein Gesundheitszustand ändert?
Wenn sich der Gesundheitszustand einer Person mit Schwerbehinderung verschlechtert, kann es sinnvoll sein, einen sogenannten Verschlimmerungsantrag zu stellen. Dieser Antrag dient dazu, eine bereits anerkannte Schwerbehinderung neu zu bewerten und gegebenenfalls einen höheren Grad der Behinderung festzustellen. Durch einen Verschlimmerungsantrag können sich die Ansprüche auf Leistungen oder Vergünstigungen erhöhen.
Auch in diesem Fall sollte die Änderung des Gesundheitszustands unverzüglich dem Versorgungsamt gemeldet werden, um das weitere Vorgehen abzustimmen und gegebenenfalls ein neues Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung einzuholen.
Darf ich mit meinem Schwerbehindertenausweis auf einem Behindertenparkplatz parken?
Ja, Inhaber eines Schwerbehindertenausweises dürfen auf Behindertenparkplätzen parken, sofern der Ausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ versehen ist. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um einen speziell gekennzeichneten Parkplatz handelt, der nur für Menschen mit Schwerbehinderung vorgesehen ist. Das Parken auf einem solchen Parkplatz ohne entsprechende Berechtigung ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
Muss ich den Ausweis immer dabei haben?
Grundsätzlich gilt, dass man den Schwerbehindertenausweis bei Inanspruchnahme der verschiedenen Vergünstigungen und Rechte immer dabei haben sollte, um bei Bedarf die Berechtigung nachweisen zu können.
Wenn man beispielsweise den kostenlosen Nahverkehr nutzen möchte, muss man den Ausweis dem Fahrpersonal vorzeigen. Auch bei der Nutzung von Behindertenparkplätzen oder beim Beantragen von besonderen Leistungen wie Steuererleichterungen ist der Ausweis oft erforderlich. Es gibt jedoch keine allgemeine gesetzliche Pflicht, den Schwerbehindertenausweis immer bei sich zu tragen.
Bekomme ich einen Nachteilsausgleich mit dem Ausweis?
Ja, der Schwerbehindertenausweis ermöglicht in vielen Fällen einen Nachteilsausgleich für die betroffene Person. Dieser Nachteilsausgleich bezieht sich auf verschiedene Lebensbereiche. Ausgleiche können zum Beispiel sein:
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Freifahrten im öffentlichen Nahverkehr
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Ermäßigungen in öffentlichen Einrichtungen wie Schwimmbädern, Museen oder Theatern
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barrierefreier Zugang zu öffentlichen Gebäuden
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besondere Arbeitsplatzgestaltung oder Kündigungsschutz
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle Personen mit einem Schwerbehindertenausweis automatisch Anspruch auf alle Ausgleichsmaßnahmen haben. Der Grad der Behinderung und die Merkzeichen, die auf dem Ausweis vermerkt sind, sind ausschlaggebend dafür, welche Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden können.
Wer hat Anspruch auf die „Unentgeltliche Beförderung“ mit dem Schwerbehindertenausweis?
Personen mit einem Schwerbehindertenausweis, die das Merkzeichen „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) oder „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) im Ausweis eingetragen haben, haben in Deutschland Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr. Dies gilt für Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen und Regionalzüge. Die genauen Bedingungen können jedoch je nach Bundesland unterschiedlich sein.
In manchen Fällen haben schwerbehinderte Menschen mit Merkzeichen „B“ (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson) im Schwerbehindertenausweis auch das Recht, eine Begleitperson kostenlos mitzunehmen. Dies gilt beispielsweise, wenn sie aufgrund ihrer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind und dadurch die unentgeltliche Beförderung allein nicht nutzen können. Ob eine Begleitperson kostenlos mitfahren darf, hängt auch von den jeweiligen Beförderungsbedingungen des Verkehrsträgers ab.
Wie lege ich Widerspruch bei der Zuteilung des GdB ein?
Wenn Sie mit der Entscheidung über die Zuteilung des GdB nicht einverstanden sind, haben Sie die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einzulegen. Hierbei sollten Sie schriftlich und detailliert darlegen, warum Sie die Entscheidung nicht akzeptieren und welcher Grad der Behinderung (GdB) Ihrer Ansicht nach angemessen wäre. Es empfiehlt sich, bereits beim Widerspruch ausführlich zu begründen, weshalb Sie den gewünschten GdB für angemessen halten. Gegebenenfalls sollten Sie auch ärztliche Gutachten oder andere Unterlagen beifügen, die Ihre Argumentation stützen.
Der Widerspruch muss bei der zuständigen Stelle, die den Bescheid erlassen hat, eingereicht werden. Diese prüft den Widerspruch erneut und kann gegebenenfalls den GdB anpassen oder den Bescheid aufrechterhalten. Wenn Sie auch mit der Entscheidung im Widerspruchsverfahren nicht einverstanden sind, besteht die Möglichkeit, Klage beim zuständigen Sozialgericht einzureichen.