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Was ist eine Behinderung? Definitionen klären auf.

Trotz fortschrittlicher Definitionen seitens der WHO und UNO Behindertenrechtskonvention werden Menschen mit Behinderungen sehr oft stigmatisiert. Von einem Merkmal einer Person wird auf ihr ganzes Wesen geschlossen. Dabei wird außer Acht gelassen, wie divers Menschen mit Behinderungen sind und auch welche Auswirkungen Stigmata auf Betroffene haben. Wir beleuchten verschiedene Ansätze und zeigen auf, dass es „die Behinderung“ nicht gibt.

Zwei Frauen arbeiten gemeinsam vor einem großen Bildschirm im Büro. | © Andi Weiland | Boehringer Ingelheim, Gesellschaftsbilder.de

Inklusion und Arbeit (Andi Weiland | Boehringer Ingelheim, Gesellschaftsbilder.de)

Die Definition von Behinderung ist „komplex, dynamisch, multidimensional und umstritten“, stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest. Erfahren Sie, weshalb das so ist und wieso es sich lohnt, unser eigenes Gedankenkonstrukt zu hinterfragen. Beginnen wir mit den offiziellen Definitionen. Bereits hier lassen sich viele Unterschiede ausmachen.

  • 1

    Behinderung: Gesetzliche Definition in Deutschland

    Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) definiert in § 3 Menschen mit Behinderung als „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“  Die Langfristigkeit besteht dabei, wenn sich der Zeitraum voraussichtlich mindestens über sechs Monate zieht.

    Darüber hinaus sagt das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch in § 2 Begriffsbestimmung, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, „wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.“  Von einer Behinderung bedroht sind Menschen, bei denen eine Beeinträchtigung nach der obigen Definition zu erwarten ist.

    Das deutsche Sozialgesetz unterscheidet zudem, ob eine Person schwerbehindert ist. Menschen sind demnach schwerbehindert, „wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben“ (§ 2 Absatz 2 SGB IX). Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die Voraussetzungen des vorherigen Abschnitts (im Sinne des § 156) zutreffen, können schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden (§ 2 Absatz 3 SGB IX). Der § 156 des SGB IX regelt die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit einer Behinderung bezogen auf den Arbeitsplatz. 

    Bei Mehrfachbehinderungen, also Behinderungen, die sich aus mehreren Behinderungsarten zusammensetzen, wird es richtig komplex. Als Behinderungsarten gelten: geistige Behinderung, seelische Behinderung, Hörschädigung (Gehörlosigkeit + Schwerhörigkeit), Körperbehinderung, Lernbehinderung, Sehschädigung, Sprachbehinderung und Verhaltensstörung.

    Das liest sich in der Theorie einfach, nachvollziehbar und trennbar. Eine eindeutige Abgrenzung, vor allem zwischen körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen, ist in der Praxis jedoch kaum möglich, da manche zusätzliche Behinderungen erst im Zusammenhang mit der bereits bestehenden Behinderung entstehen.

    Bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen daher die Wechselwirkungen der Definition im Zentrum.

  • 2

    Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO)

    Nach der Definition der WHO wird von Behinderung gesprochen, wenn:
    „ein gesundheitliches Problem oder ein Unfall zu einer Beeinträchtigung einer Körperfunktion oder -struktur einer Person führt und die Fähigkeit zur Verrichtung gewisser Aktivitäten einschränkt oder Tätigkeiten in ihrem sozialen Umfeld erschwert werden“  (siehe World Report on Disability).

    Die Definition der WHO:

    • erkennt an, dass Menschen sowohl durch ihren Körper als auch durch Umweltfaktoren behindert werden.
    • spiegelt den Übergang von einem medizinischen Modell zu einem sozialen wieder.

     
    Behinderung ist somit nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein soziales Problem, das entsteht, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, grundlegenden Verrichtungen des Alltags nachzugehen oder voll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

  • 3

    Definition der United Nations Organization (UNO)

    Die Weltorganisation UNO definiert „Behinderung“ indem sie die drei Aspekte der WHO aufgreift und ergänzt:
    „Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ (siehe Übereinkommen zur Behindertenrechtskonvention UN-BRK, Artikel 1).

    Die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-BRK am 24. Februar 2009 ratifiziert und schließt sich damit dem Paradigmenwechsel von dem früher medizinisch-defizitärem Verständnis hin zum menschenrechtlichen Verständnis an, mit dem Ziel gleichberechtigter Grundfreiheiten für Menschen mit einer Behinderung

    Aus den verschiedenen Definitionen lässt sich schlussfolgern, dass jeder Mensch, der in irgendeiner Art und Weise von der sozialen Teilhabe ausgeschlossen ist, als behindert angesehen werden kann. Daraus ergibt sich für diese Menschen ein Anspruch auf die Rechte aus der Behindertenrechtskonvention, die ihnen dort zugesprochen werden. Ob mit oder ohne Behinderung: Wichtig ist, dass jeder Mensch gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben kann.

Arten der Behinderung

Ein Grund für die Komplexität der Definition ist auch die Diversität von Menschen mit Behinderung. Wie von der UN-BRK definiert zählen zu Menschen mit Behinderungen Menschen, die eine langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigung haben. So wird längst nicht nur das Stereotyp „Rollstuhlfahrer“ behindert, sondern auch das Kind mit Zerebralparese, die Frau mittleren Alters, die an einer Depression erkrankt ist oder eine ältere Person mit Demenz. Darüber hinaus sind auch länger andauernde chronische Erkrankungen, wie Epilepsie, Multiple Sklerose oder Allergien, eingeschlossen.

Gesundheitszustände können sichtbar oder unsichtbar sein, vorübergehend oder dauerhaft, statisch, schubförmig oder degenerierend, schmerzhaft oder unbedeutend. Kurz gesagt: Behinderungen sind Teil unseres Lebens und sie können jede*n von uns zu jedem Zeitpunkt treffen. Viele Menschen mit Behinderungen fühlen sich allerdings nicht krank, sondern je nach aktuellem Gesundheitszustand durchaus fit und wohl. Eine Übersicht über (fast) die ganze Palette unterschiedlicher Behinderungen und Krankheiten finden Sie im Themenbereich Behinderungen.

Stigmata und Stereotype

Auch wenn fast jede*r von uns irgendwann im Leben vorübergehend oder dauerhaft beeinträchtigt sein wird, werden Menschen mit Behinderungen sehr oft stigmatisiert. Weshalb? Die Wissenschaft gibt hier Antworten.

Der Soziologe Erwin Goffman und andere Sozialwissenschaftler*innen definieren Behinderung als Stigma. Stigmata sind gedankliche Konstruktionen, durch die sich Menschen die Wahrnehmung anderer Personen vereinfachen. Von einem Merkmal wird auf die ganze Person geschlossen. Sie ersparen somit differenziertes Denken. Obwohl zum Beispiel Menschen mit einer psychischen Erkrankung ganz andere Herausforderungen haben als Menschen mit einer Körperbehinderung, werden sie als „Behinderte“ oftmals in dieselbe Schublade gesteckt.

Ein Mann in Jogginghosen im Rollstuhl. Der Kopf des Mannes ist im Bild nicht sichtbar. | © pexels (pexels)

Stigmata sind negativ behaftet, weshalb Menschen mit Behinderungen leider oftmals haarsträubende Eigenschaften wie Dummheit, Faulheit oder mangelnder Durchhaltewillen zugeschrieben werden. Andere Merkmale der Person, wie zum Beispiel Charakter oder Bildungsstand, können diese Vorurteile nicht kompensieren. Klar, dass solche Stigmatisierungen enorme Auswirkungen auf die Betroffenen haben. Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten zweifeln häufig an sich selbst, ziehen sich aus der Gesellschaft zurück oder resignieren. Auch versuchen sie, ihre Krankheit oder Behinderung so gut es geht geheim zu halten – aus Angst vor Stigmatisierung.

Vielfalt der Gesellschaft schätzen

Was wir also mitnehmen: Verallgemeinerungen und Stereotype über „Behinderung“ oder „Menschen mit Behinderungen“ führen eindeutig in die Irre. Personen mit Behinderungen haben vielfältige persönliche Eigenheiten in Bezug auf Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung, Bildungsstand oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität, Religion oder Volksgruppe. Und jede*r geht wieder anders mit seiner oder ihrer Behinderung um. Differenziertes Denken lohnt sich, um die Vorteile einer diversen Gesellschaft zu erkennen.

Mit Informationen und Austausch kann es gelingen, über Hintergründe, Ursachen und Folgen einer Behinderung oder Krankheit zu informieren und Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht allein sind und Unterstützung in Anspruch nehmen sollten, um neue Perspektiven zu finden. Dieses Ziel möchten wir mit unserem Informationsportal EnableMe, unserer Community und mit unseren verschiedenen Angeboten erreichen.


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