Leben mit Amputation – Interview mit Heinz B.
Heinz B. bekam aufgrund eines Unfalls und eines ärztlichen Fehlers einen Unterschenkel amputiert. In einem Interview erzählt er uns, wie er damit umgeht.

In einem Erfahrungsaustausch erzählt die Person, wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht (Hendrike Zahour / EnableMe)
Sie liegt ungefähr 30 Jahre zurück.
Ich war 16 Jahre.
Ich wurde knapp unterhalb des Knies auf Grund eines Unfalls und durch einen ärztlichen Fehler amputiert.
Ich kam nach sechs Wochen Krankenhausaufenthalt (dort war auch meine Erstversorgung mit Prothese und etwas Krankengymnastik) gleich nach Hause und hatte im Anschluss keine Reha.
Auf meinem Zimmer im Krankenhaus lag noch ein 22-Jähriger, der auch gerade erst amputiert worden war und durch ihn und seine Freunde hatte ich im Krankenhaus eigentlich trotz der Amputation und der Operationen eine gute Zeit mit guten Gesprächen.
Ein wenig, da ich gerne eine Gehschule und noch andere Betroffene zum Austausch gehabt hätte, da am Anfang doch alles recht schwierig war und ich mich bis auf die Zeit im Krankenhaus mit niemand richtig austauschen oder Fragen stellen konnte.
Durch eine weitere Operation am Stumpf (Knochenentzündung) und eines Fehlers bei der Operation hatte ich vor drei Jahren erstmals eine Reha.
Kommt auf die Art der Rehaeinrichtung an, aber grundsätzlich würde ich es auf Grund der Verschlechterung schon begrüßen.
Dies ging eigentlich recht schnell. Ich glaube, wenn man jünger ist, ist dies auch einfacher.
Es ist am Anfang komisch, da möchte man immer wieder auf das Bein draufstehen, bis man mitbekommt, ups, da fehlt doch was. Eigentlich fand ich es selber gar nicht so schlimm, es waren eher die Reaktionen des Umfeldes, die es schwierig machten.
Ja, mein Freundeskreis (Fußballclique) hat sich damals ziemlich schnell verabschiedet.
Ich war zur Zeit der Amputation nicht in einer Beziehung. Es war in den ersten Monaten nicht einfach, da ich doch erstmal recht unsicher war. Danach entwickelten sich die Beziehungen normal. Dass die Amputation immer wieder mal ein Thema war/ist ist klar, doch spielte dies sowohl bei meinen Partnerinnen wie bei mir, eher eine untergeordnete Rolle.
Ich stand damals vor einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, der Betrieb lehnte nach Bekanntwerden des Unfalls die Ausbildung ab. Ich fand dann nach ungefähr einem Jahr eine andere Ausbildung und habe inzwischen noch einige Berufe erlernt. Am Anfang wollte ich mir beweisen, dass ich fast alles machen kann, was mir auch gelang. Nach zwei bis drei Jahren wurde mir dann aber viel wichtiger, dass ich einen Beruf ausübe, mit dem ich mich identifizieren kann.
Eigentlich konnte ich noch recht viel machen – zum Beispiel Rucksackreisen in alle Welt und leichteren Sport. Was nicht mehr ging, war in meinem Verein aktiv Fußball zu spielen und Klettern beziehungsweise Bergsteigen.
Die ersten Jahre war das schon öfters so. Inzwischen vermisse ich nur noch weniges. Ich habe alternativ einige andere Hobbys. Leider traute ich mich die ersten Jahre nicht, in der Öffentlichkeit zum Schwimmen zu gehen. Dies habe ich doch sehr vermisst. Seit einiger Zeit bin ich aber wieder eine kleine Wasserratte.
Eigentlich nichts Spezielles. Ich war damals 16 Jahre und in diesem Lebensabschnitt lernt man ja viel Neues und probiert auch viel aus, ob mit oder ohne Amputation.
Eigentlich begegne ich erst in den letzten Jahren öfters Amputierten und tausche mich etwas intensiver mit Ihnen aus.
Nein.
Hat sich bisher nicht ergeben und ich kam bisher auch so ganz gut zurecht.
Nur in der längeren Reha vor drei Jahren hatte ich mehr Kontakt. Vor allem mit Neuamputierten. Denen konnte ich auf Grund meiner langjährigen Erfahrung mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihnen etwas helfen, mit der Situation besser klar zu kommen.
Eigentlich hatte ich über viele Jahre keine Probleme, wenn dann in ganz leichter Form. Normale Dinge, wie die eine oder andere Druckstelle, die ich aber immer ziemlich gut im Griff hatte. Außerdem hatte ich zum Glück auch nie Gewichtsprobleme und auch keine Phantomschmerzen.
Erst seit drei bis vier Jahren. Zuerst bekam ich Entzündungen im Knochenbereich am Stumpfende. Dies wurde operiert. Dann stellte sich heraus, dass meine Blutgefässe (nur am amputierten Bein) sehr schmächtig geworden sind – ich hatte bis vor drei Jahren immer eine Prothese mit Oberschenkelhülse – und nun ist auch noch ein längerer nicht operabler Gefäßverschluss entstanden. Dies bedeutet, dass in den nächsten Jahren nachamputiert werden muss.
Darüber hinaus ächzt mein „gesundes“ Bein jetzt auch stärker - bedingt durch die langjährige Überlastung. Meniskusentfernung, Kniefunktionsstörungen, und nicht zu vergessen der Rücken (Bandscheibenvorfall mit Nervenreizung im „gesunden“ Bein).
Das ist nicht ganz einfach, da ich immer öfters ohne Prothese unterwegs bin, dies aber auch schwieriger wird, da das andere Bein nicht mehr so mit macht. Deshalb benütze ich zuhause und bei der Arbeit seit einigen Monaten einen Rollstuhl. Ich nehme auch erstmals seit einigen Monaten Schmerzmittel. Insgesamt belastet mich die Situation schon. Ich versuche eine Balance zwischen Be- und Entlastung zu finden.
Früher hatte ich eigentlich wenig Druckstellen, die mir keine großen Probleme bereiteten, außer ab und an auf meinen Rucksackreisen.
Seit der letzten Operation ist der Stumpf aber viel empfindlicher geworden, sowohl wenn ich schwitze, als auch beim Belasten. Deshalb trage ich die Prothese auch seltener.
Wie gesagt, ich hatte bis vor drei bis vier Jahren kaum Probleme damit. Ich habe meinen Stumpf immer gut gepflegt und machte viel Bewegung. Dadurch ging es fast 30 Jahre recht problemlos. Ein guter Orthopäde und ein guter Orthopädiemechaniker sind da durchaus auch hilfreich. Ganz vermeiden lassen sich die Probleme aber sicher nicht und es ist auch individuell sehr unterschiedlich.
Nach der Amputation hatte ich sicher meine Probleme mit dem Selbstwert- und auch Körpergefühl. Dies hat sich aber weitgehend gelegt. Inzwischen vermisse ich eher meine Mobilität, die durch die „Spätfolgen“ nun doch stark eingeschränkt ist.
Mein Leben verlief trotz der Amputation eigentlich ganz normal und ich glaube, dass ich durch die Behinderung mehr an Tiefe und Sensibilität in Beziehungen und dem Umgang mit Menschen erfahren habe, erfahre und auch geben kann.
Diese Frage finde ich sehr schwierig und mir fällt es schwer, einen allgemeinen Rat oder Tipp zu geben, da jede Amputation anders ist. Ich denke, die Begleitumstände sind zu unterschiedlich und von daher hören sich für mich dann allgemeine Ratschläge oft eher wie Phrasen an.
Ich kann nur von mir sagen, dass ich, nachdem ich gelernt hatte mit den Auf und Abs, die durch die Behinderung da sind, zu leben und diese auch zu akzeptieren, vieles einfacher wurde. Dies ist am Anfang oft schwierig und braucht Zeit. Ich habe gelernt, in manchen Phasen den Verlust des Beines intensiver zuzulassen. Diese Phasen sind für mich wichtig, sie ziehen mich nicht runter, sondern helfen mir, mit manchem bewusster umzugehen.
Ganz wichtig war/ist, dass ich meinen Humor nicht verloren habe. Er wurde nur mit einer Prise „schwarzen Humors“ bereichert.
Außerdem war ein großer Vorteil, dass ich eine gute prothetische Versorgung hatte und rasch versucht habe, mit der Prothese klarzukommen.