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Barriere-Scouts: Expert*innen in eigener Sache für mehr Barrierefreiheit

Sie betreiben ein Restaurant, eine Arztpraxis oder ein Konzerthaus und wollen dies barrierefrei gestalten? Ihnen fehlt es jedoch an praktischem Wissen, was Sie verändern müssen, damit Sie allen Menschen die Teilhabe und den Zugang ermöglichen können? Dann könnten Ihnen die persönlichen Erfahrungen der Barriere-Scouts weiterhelfen. Sie fragen sich nun, was die Barriere-Scouts sind? Lesen Sie in unserem Artikel mehr über ihre Arbeit und ihre Aufgaben.

Zu sehen ist in der Mitte ein keyvisual eines Blocks und ein Mikrofon | © Hendrike Zahour / EnableMe

In einem Erfahrungsaustausch erzählt die Person, wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht (Hendrike Zahour / EnableMe)

Barriere-Scouts: Beratung in Barrierefreiheit

Durch das gesammelte Wissen aus der Wheelmap wissen die Sozialheld*innen e.V., dass viele Orte für Menschen mit Behinderung nicht zugänglich sind. Viele Orte sind mit dem Rollstuhl nicht zu erreichen, der Zugang für blinde oder gehörlose Menschen oder Menschen, die auf leichte Sprache oder Gebärdensprachdolmetschung angewiesen sind, ist immer noch nicht gesichert.

Der Wille, die Orte barrierefrei zu gestalten, zeichnet sich jedoch immer mehr ab. Aus diesem Grund wurde das Programm der Barriere-Scouts von den Sozialheld*innen e.V. ins Leben gerufen. Ein Programm, in dem Menschen mit Behinderung ihre Expertise an Betreiber*innen verschiedener Örtlichkeiten weitergeben.

Die Barriere-Scouts verfügen über ein breitgefächertes Wissen über Barrierefreiheit und ihre Anforderungen. Dieses richtet sich speziell an die Barrierefreiheit von Gebäuden.

Wenn Sie selbst ein Kino, Café oder Eisdiele betreiben und diese barrierefreier gestalten möchten, dann helfen Ihnen die Barriere-Scouts gerne weiter. Dies geschieht in einer so genannten Ortsbegehung. Dort erhalten Sie verschiedene Hinweise darauf, wo Sie Barrieren abbauen können. Durch den Abbau von Barrieren ermöglichen sie den Zugang und die Teilhabe für alle Menschen.

Woher stammt die Expertise der Barriere-Scouts?

Die Barriere-Scouts haben an einem mehrteiligen Weiterbildungsprogramm des Sozialheld*innen e.V. teilgenommen. In diesem haben sie gelernt, unterschiedliche Barrieren zu erkennen und sind nun offizielle Barriere-Scouts.

Viele sind als Expert*innen in eigener Sache tätig. Sie sind selbst Menschen mit Behinderung und kennen Barrieren aus ihrem Alltag. Dieses Wissen nutzen sie, um Ihnen während der Begehung Informationen über Barrieren und deren Abbau zu geben. Wieder andere sind Allies bzw. Verbündete. Zusammen mit Menschen mit Behinderung engagieren sie sich für eine barrierefreie Umgebung.

Wieso sollten Sie mit Barriere-Scouts zusammenarbeiten?

Viele Orte sind nicht barrierefrei und das ist ein Problem. Denn ein nicht barrierefreier Ort sorgt dafür, dass Menschen mit Behinderung nicht gleichberechtigt in unserer Gesellschaft teilhaben können. Dieses Thema geht uns alle etwas an.

Sie sind Betreiber*in einer Eisdiele, einer Apotheke oder einer Kneipe? Dann lassen Sie Ihren Ort von den Barriere-Scouts überprüfen.

Sie wollen einen Einblick in die Arbeit eines Barriere-Scouts erhalten? Dann lesen Sie jetzt weiter. Im Gespräch mit EnableMe war Christina Lira – Barriere-Scout aus Esslingen.

Kannst du dich für unsere Leser*innen einmal vorstellen?

Mein Name ist Christian Lira, ich bin selbst Rollstuhlfahrer und schwerhörig. Ich engagiere mich in Esslingen für die Barrierefreiheit in Ausschüssen und im VDK. Als ich auf das Programm der Barriere-Scouts gestoßen bin, habe ich mich ausbilden lassen. Nun biete ich Ortsbegehungen im Großraum Esslingen an, um Barrieren aufzuzeigen und Lösungen zu finden. Zudem leite ich eine Internetseite, auf der man Freizeittipps und Austausch im Großraum Esslingen erhalten kann.

Was sind die Barriere-Scouts?

Die Barriere-Scouts wurden von den Sozialheld*innen ins Leben gerufen. Die Idee dahinter ist, dass in Deutschland vieles noch nicht barrierefrei ist. Vielen Menschen fehlt das Wissen, was für Bedürfnisse Menschen mit Behinderung haben. Daher haben sie sich das niederschwellige Angebot ausgedacht. Menschen mit Behinderung oder die indirekt von einer Behinderung betroffen sind, können auf Begehungen auf Barrieren hinweisen. Zusätzlich zum eigenen Wissen wird eine Schulung absolviert, um den eigenen Horizont zu erweitern. Dies ermöglicht auch, den Horizont über andere Behinderungen zu erweitern. Weiterhin erhält man Flyer und weitere Informationen.

Die Schulung dauert 5 Termine lang. Es wird ein Zusatztermin angeboten. Jeder Workshop dauert 1.5 Stunden. Der Workshop dauert eine Stunde pro Vortrag + eine halbe Stunde für die Fragerunde. Es wird versucht, die Workshops möglichst barrierefrei zu machen. Grafiken und Bilder werden für blinde und sehbehinderte Teilnehmer*innen erklärt und für gehörlose Menschen gibt es Gebärdensprachdolmetschung.

  1. Workshop: Grundlagen Barrierefreiheit, allgemein, mit dem Schwerpunkt: Was gibt es für Barrieren? Die meisten kennt man als Mensch mit Behinderung jedoch.
  2. Allyship: Netzwerke knüpfen und sich unter den Barriere-Scouts austauschen
  3. Wheelmap: Zusatztermin
  4. Barrierefreie Architektur: Welche Vorgaben gibt es (DIN-Norm)?
  5. Ablauf der Ortsbegehung: Erfahrene Ortsbegeherin hat Erfahrungen geteilt über Vor- und Nachbereitung und die Begehung.
  6. Kommunikation: Wie gibt man Tipps? Wie fragt man Ortsbegehungen an? Wie gibt man konstruktives Feedback nach einer Ortsbegehung?

Nach den Workshops erhält man ein Zertifikat. Um das Zertifikat zu bekommen, muss man zusätzlich eine Art Abschlussarbeit absolvieren. Hierzu zählt die erste Begehung, die man in ein Formular einträgt. Man erhält danach ein Paket mit Flyern, T-Shirt und dann kann man loslegen.

Andi Weiland: Barriere-Scouts überprüfen in Ortsbegehungen Ihre Location auf Barrieren | © Andi Weiland Gesellschaftsbilder Andi Weiland: Barriere-Scouts überprüfen in Ortsbegehungen Ihre Location auf Barrieren (Andi Weiland Gesellschaftsbilder)

Wie erfahre ich wann eine neue Schulung stattfindet?

Auf der Website der Sozialheld*innen, gibt es ganz unten einen Reiter Namens „Wie wird man Barriere-Scout?'“. Hier muss man sich für den Newsletter anmelden und bekommt Infos per Mail. Diese Schulungen finden digital über Zoom statt, jedenfalls war dies beim letzten Mal so.

Barriere-Scouts: Wie ist der Ablauf einer Begehung?

Als erstes versuche ich noch jemanden ins Boot zu holen. Beispielsweise für das Thema Blindheit/Sehbehinderung. Ich kann das nicht einschätzen, ob die Kontraste gut genug sind oder das Licht blendet. Ich kann in Esslingen auf 2 Personen zugreifen. Es macht auch mehr Spaß mit weiteren Personen mit zusätzlicher Expertise zu arbeiten.

Man trifft sich mit den Betreiber*innen vor dem Eingang und arbeitet sich in verschiedenen Räumen vor. Jemand von der Einrichtung soll währenddessen Protokoll führen und auch Tipps aufschreiben. Ich merke, dass einiges nicht aufgeschrieben wird und führe daher selbst Protokoll und gebe eine Liste mit den Barrieren und Tipps weiter.

Eine Begehung dauert gut 2-3 Stunden. Bei einem kleinen Laden vielleicht 1 Stunde. Gerade bei dem Thema Barrierefreiheit für gehbehinderte Menschen ist es mit sehr viel Messen verbunden. Beispielsweise: Sind die Türen breit genug? Sind die Griffe, wo sie sein sollen?

Barriere-Scouts: Ist die Begehung kostenfrei?

Dies ist jedem Barriere-Scout selbst überlassen. Viele lassen sich die Anfahrt und Verpflegung bezahlen. Ob ein Stundenlohn verlangt wird, ist unterschiedlich.

Gibt es für die Orte eine Zertifizierung eures Besuchs?

Der Wunsch der Einrichtungen nach einem Zertifikat ist sehr groß, aber vorgesehen ist ein solches Zertifikat nicht. Es sagt nichts über die Bereitschaft, etwas an den Barrieren zu ändern. Ein Zertifikat mit „Ich wurde geprüft auf Barrierefreiheit“ könnte irreführend sein, wenn es dort viele Barrieren gibt. So könnten sie sich barrierefreier ausstellen, als sie es sind.

Von den Teilnehmer*innen wurde der Wunsch geäußert, ein Zertifikat einzuführen. Die Sozialheld*innen sind bei diesem Thema etwas zurückhaltend. Man müsste unter diesen Umständen 2 Begehungen machen, um zu überprüfen, wie der Fortschritt und die Umsetzung ist. Alternativ gäbe es die Idee einer Ampel, bei der man eine Stufe nach oben rutschen kann.

Wie finde ich einen Barriere-Scout in meiner Nähe?

Auf der Website der Sozialheld*innen findet man in den Angeboten Barriere-Scouts. Dort wird grob erklärt, wer die Barriere-Scouts sind und man findet auch eine lange Liste nach Bundesland mit Postleitzahl und Kontaktinformationen wie E-Mail, Telefon oder Website. So kann man angefragt werden.

Es gibt auch eine Facebook-Gruppe. Dort kann man sich austauschen. Auch über Anfragen aus einer Stadt, aus der man nicht kommt. „Ich habe eine Anfrage für die Stadt, könnte sich jemand vorstellen, das zu übernehmen?" Die Gruppe wurde von den Sozialheld*innen angestoßen. Es ist eine geschlossene Gruppe.

Welche Erfahrungen hast du als Barriere-Scout gemacht?

Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass man nicht zu viele Barrieren aufzählen sollte. Sonst sind viele überfordert und wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Die 5 wichtigsten Barrieren sollten notiert werden, so dass man sie umsetzt. Ich bin optimistisch.

Es hilft auch schon, die Leute zu sensibilisieren. Man sollte die Arbeit nur nicht penetrant anbieten. In den meisten Fällen muss man auf die Örtlichkeiten zugehen. Auf Veranstaltungen war ich auch bereits unterwegs. Auch dort fehlen noch Informationen über Barrierefreiheit und Barrieren, die man abbauen könnte. 2x wurde ich bereits über das lokale Netzwerk angefragt. Behindertentoiletten kosten weit über 1.000 Euro, da muss man Überzeugungsarbeit leisten. Aber es tut sich langsam was.

Was sind deine Wünsche und Ziele für die Barriere-Scouts?

Wir haben relativ viele Barriere-Scouts. Über 200 Leute haben an der Schulung teilgenommen. Vielleicht waren da aber auch Menschen dabei, die mehr Wissen haben wollten. Auf der Seite sind zurzeit über 60 Barriere-Scouts gelistet.

Deutschland ist doch recht groß und Mobilität ist immer noch ein schwieriges Thema. Ein barrierefreier Nahverkehr wäre wünschenswert. Ebenfalls wäre es wünschenswert, dass es mehr Barriere-Scouts geben würde. Ihr braucht keine Hemmungen haben. Es geht auch nicht darum, dass man die DIN Normen perfekt kennt, sondern die Begehung aus der eigenen Expertise heraus macht. Wenn Leute etwas nachfragen oder weitere Barrieren dazukommen, dann ist das kein Weltuntergang. Es sind die ersten Schritte Richtung Barrierefreiheit und dann können sich die Einrichtungen darauf aufbauend weiterentwickeln. Behinderungen sind so vielfältig, dass eine einzelne Person das gar nicht alles überblicken kann. Ziel ist es, möglichst viele Barrieren zu überblicken und anzusprechen. Wir brauchen viele Menschen, die von einer Behinderung oder indirekt von dieser betroffen sind und Lust haben, mitzumachen

Ein weiterer Hinweis der Sozialhelden: Helfen die Barriere-Scouts auch bei der Umsetzung des Barriere-Abbaus?

Die Aufgabe der Barriere-Scouts ist es, Impulse zum Abbau von Barrieren zu geben. Für die Umsetzung sind sie allerdings nicht verantwortlich. Viele von ihnen kennen aber sicher pragmatische und kreative Lösungen zum Abbau von Barrieren. Fragen Sie einfach nach.


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