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Chronische Schmerzen sind ein weit verbreitetes Phänomen. Im Gegensatz zum akuten Schmerz, der dem Körper als Warn- und Schutzsignal dient, kann der chronische Schmerz zu einem eigenständigen Krankheitsbild werden.
Der Mensch empfindet Schmerzen über das Nervensystem. Dieses besteht aus dem zentralen Nervensystem, zu dem das Gehirn, der Hirnstamm und das Rückenmark gehören und das periphere Nervensystem, in dem Nerven die Informationen vom Gehirn und vom Rückenmark an die Körperteile und zurück übertragen.
Wenn wir uns nun in den Finger schneiden, uns den Fuß verknacksen, uns den Kopf stoßen oder auch nach einer Operation, empfinden wir akute Schmerzen. Dies weil die Nervenenden überreizt, eventuell auch beschädigt sind und Schmerzsignale ans Gehirn senden. So wird dem Körper mitgeteilt, dass etwas nicht in Ordnung ist und gepflegt oder behandelt werden muss. Nach der Behandlung lässt der Schmerz in der Regel nach.
Wenn sich der Schmerz verselbständigt
Ist aber entweder das zentrale oder das periphere Nervensystem gestört, kann dies zu chronischen Schmerzen führen. Hier verlieren die Schmerzen ihre eigentliche Warnfunktion. Sie können zwar auf die Schädigung eines Organs zurückzuführen sein, oftmals verselbständigen sie sich aber und werden zu einem eigenständigen Krankheitsbild, das zu physischen, psychischen und sozialen Behinderungen führt.
Es sind die Nervenzellen, die sich verselbständigen und auch wenn kein Schmerzreiz mehr vorhanden ist, weiterhin Impulse an das Gehirn senden. Sie vergessen die Schmerzinformationen nicht mehr und melden weiter die geringsten Reize an das Bewusstsein. Die Zellen entwickeln ein eigentliches Schmerzgedächtnis.
Chronischer Schmerz tritt also auf, wenn der Auslöser nicht beseitigt werden kann - eine körperliche Ursache also ständig Schmerz auslöst - oder wenn sich der Schmerz zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt hat.
Millionen Betroffene
Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn sie länger als drei bis sechs Monate andauern. In Deutschland sind davon bis zu 12 Millionen Menschen betroffen.
Es gibt zahlreiche verschiedene Ursachen für chronische Schmerzerkrankungen. Die häufigsten Formen sind
- Rückenschmerzen (zum Beispiel Bandscheibenvorfall)
- Kopfschmerzen (zum Beispiel Migräne, Spannungskopfschmerzen)
- Rheumatische Schmerzen (zum Beispiel Arthritis)
- Neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen)
- Fibromyalgie (Weichteilbeschwerden)
- Degenerative Schmerzen (Arthrose, Osteoporose)
- Tumorschmerzen
- Phantomschmerzen (unter anderem nach Amputationen)
Die bisher größte Studie zum Thema chronischer Schmerz - die "Pain in Europe Survey 2003" - zeigte, dass ein Viertel der Befragten chronische Schmerzen im Bereich des Rückens hatte. Bei 16 Prozent betrafen sie die Knie, bei 14 Prozent die Beine, bei 10 Prozent die Gelenke und bei 9 Prozent die Schultern. Weitere 15 Prozent der Interviewten berichteten von chronischen Schmerzen im Bereich des Kopfes.
Gemäß der Umfrage gehören zu den häufigsten Ursachen der chronischen Schmerzen die Gelenkerkrankungen Arthritis und Arthrose, gefolgt von Bandscheibenvorfällen, Unfällen/Verletzungen, rheumatoider Arthritis und Migräne.
Die Rolle der Psyche
Zahlreiche Faktoren können chronische Schmerzen verursachen, unterhalten oder verstärken. Einig sind sich Expert*innen heute auch darin, dass auch psychische Faktoren die Entstehung chronischer Schmerzen beeinflussen können. Eine mit dem Schmerzsyndrom gleichzeitig vorhandene psychische Störung führt zu einem intensiveren Schmerzerleben und fördert die Chronifizierung. Auch kann eine Verletzung immer auch ein seelisches Trauma bedeuten, wenn das Selbstbild des dynamischen und leistungsfähigen Menschen beschädigt wird.
Als Reaktion auf die chronischen Schmerzen können psychische Störungen aber auch erst entstehen, denn das Erleben des andauernden Schmerzes stellt nicht nur eine körperliche, sondern auch eine emotionale Belastung dar. Für viele Betroffene wird der Schmerz zum Mittelpunkt des Lebens. Er füllt die Gefühlswelt der Betroffenen vollständig aus. Vielfach können Betroffene nicht mehr arbeiten, haben depressive Störungen, Angststörungen oder Anpassungsstörungen.
Sozialer Rückzug
Auch der durch chronische Schmerzen häufig einsetzende soziale Rückzug kann zu psychischen Problemen führen. Denn der andauernde Schmerz oder die ständige Angst vor den Schmerzen wird übermächtig. So werden Situationen, die den Schmerz einmal ausgelöst haben, vermieden, körperliche und soziale Aktivitäten eingeschränkt.