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Fatigue: körperliche, kognitive und seelische Erschöpfung

Fatigue gilt als Erschöpfung, die beispielsweise nach Tumorerkrankungen und deren Behandlungen auftauchen kann. Ebenfalls kann Fatigue bei Multipler Sklerose (MS), Rheuma oder Parkinson auftreten. Sie tritt unabhängig von einer kognitiven oder körperlichen Belastung auf. Das Gefühl der Ermüdung wird durch Ruhepausen jedoch nicht gemildert. Gesundheitsbehörden schätzen, dass eine Million Menschen von dem chronischen Fatigue Syndrom betroffen sind.

Fatigue: eine krankhafte Erschöpfung | © zohre Nemati Hdrudmataes unsplash

Fatigue: eine krankhafte Erschöpfung (zohre Nemati Hdrudmataes unsplash)

Was ist Fatigue

Fatigue muss nicht unmittelbar mit einer Erkrankung oder Therapie einhergehen. Sie kann auch Jahre nach der Erkrankung/Therapie auftreten oder anhalten. Die Symptome der Fatigue wirken sich körperlich, kognitiv und seelisch aus. Dies führt zu einer Einschränkung im Alltag und kann auch zu einer Behinderung führen. Betroffene müssen Tätigkeiten im (Berufs-) Alltag an ihre Belastung anpassen. Da auch häufig die Energie für die Tätigkeiten im Haushalt fehlt, können sich Fatigue-Betroffene schnell überfordert fühlen. Sie können nicht mehr an allen Freizeitaktivitäten teilnehmen. Somit wirkt sich Fatigue auch auf die Lebensqualität der Betroffenen aus. Symptome beeinflussen sich dabei oftmals auch gegenseitig. Beispiel: „Kraftlosigkeit löst häufig Niedergeschlagenheit aus – wer niedergeschlagen ist, möchte sich zurückziehen“

Anschauliches Beispiel: Fatigue und der Handyakku

Fatigue zu begreifen ist oftmals nicht leicht. Man kann sich das Ganze jedoch wie einen Handyakku vorstellen. Jede Aktivität verbraucht Energie. Nachts laden wir unseren Akku wieder für den nächsten Tag auf. Wir wissen, was wir tun können bis der Akku aufgebraucht ist und wir können unsere Restenergie einschätzen.

Und dann gibt es die Energieräuber. Erkrankungen sind wie eine Anwendung auf dem Handy, die ununterbrochen Energie zieht. Nun weiß der Körper nicht mehr wieviel Energie ihm zur Verfügung steht. Es ist wie ein beschädigter Akku, der trotz Restenergie plötzlich ausgeht. Das sorgt dafür, dass man die Aktivitäten planen muss.

Symptome von Fatigue

Die Symptome von Fatigue wirken sich individuell auf die Betroffenen aus. Es treten nicht bei Allen dieselben Symptome auf. Daher ist es auch wichtig, dass Betroffene ihren eigenen Weg im Umgang mit der Erkrankung lernen. Symptome der Fatigue werden in 3 Kategorien unterteilt: Körperlich, kognitiv und seelisch.

Körperliche Symptome:

  • Reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit
  • Schwäche, Kraftlosigkeit, Erschöpfung
  • Gliederschwere, bis -schmerzen
  • Plötzliche, starke und dauerhafte Müdigkeit
  • Anhaltendes Unwohlsein nach körperlicher Belastung
  • Schlafstörungen

Seelische Symptome:

  • Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit
  • Ängste
  • Anspannung, Frust, Reizbarkeit
  • Desinteresse an Dingen, die früher Spaß machten
  • Wunsch, sich zurückzuziehen

Kognitive Symptome:

  • Konzentrationsstörungen
  • Ablenkbarkeit
  • Wortfindungsstörungen
  • Verringerte Merkfähigkeit
  • Geringe Aufmerksamkeitsspanne

Fatigue: Diagnostik

Eine Fatigue zu diagnostizieren ist aufgrund der unspezifischen Symptome schwierig. Daher müssen erst alle anderen Erkrankungen ausgeschlossen werden, deren Symptome sich ähneln. Da sich die Symptome der Fatigue kognitiv, körperlich und seelisch auswirken, muss die Diagnostik auch auf allen 3 Ebenen aktiv werden. Durch internistische, neurologische und Blutuntersuchungen müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Dazu sollte eine Fehl- oder Mangelernährung, Depression und auch die aktuelle Medikation erfasst werden. Fatigue ist in der Internationalen Klassifikation von Krankheiten nicht als eigenständiges Symptom anerkannt.

Ursachen von Fatigue

Bis heute ist es nicht vollständig geklärt, warum einige Menschen Fatigue haben und andere nicht. Die chronische Fatigue entsteht jedoch aufgrund von mehreren Ursachen, die sich gegenseitig bedingen. Dabei spielen die körperlichen, kognitiven und seelischen Symptome eine große Rolle. Jedoch haben internationale wissenschaftliche Studien bereits belegt, dass es sich bei der Erschöpfung um eine Dysfunktion der Mitochondrien handelt.  Hierdurch kommt es zu einer Verminderung von ATP. Bei ATP handelt es sich um Adenosintriphosphat. Das ist eine organische Verbindung, die Energie liefert. Diese wird benötigt, um Prozesse im Körper anzutreiben.
Ein Überblick über die möglichen Ursachen von Fatigue:

  • Tumorerkrankung
  • Tumortherapie (Chemotherapie, Strahlentherapie, Immuntherapie, Operation)
  • Anämie
  • Mangelernährung
  • Sepsis
  • Gewichtsverlust
  • Muskelabbau und mangelnde Bewegung
  • Schlafstörungen
  • Begleiterkrankungen
  • Organschäden
  • Hormonmangelerscheinungen
  • Chronische Infekte
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • Psychische Belastung: Angst, Depression, Stress
  • Soziale Belastung: fehlende Unterstützung und finanzielle Sorgen

Häufigkeiten von Fatigue

Fatigue und Tumorerkrankungen

Wie stehen Tumorerkrankungen und die Fatigue in Verbindung? Tumorzellen wachsen schneller als gesunde Zellen und verbrauchen dadurch mehr Energie. Währenddessen reagiert das Immunsystem gegen den eigenen Körper, denn es produziert Substanzen, die die normalen Stoffwechselprozesse des Körpers stören. Das Gefühl von Erschöpfung und Abgeschlagenheit wird häufig erst nach der Diagnose und der Therapie wahrgenommen.

Die Tumortherapie ist ebenfalls eine häufige Ursache der Fatigue. Die Chemo- und Strahlentherapie wirken sich auf die Blutbildung im Knochenmark aus. Dies bedingt, dass der Körper zu Infekten und Erschöpfung neigt.

Ebenfalls hemmt die Chemotherapie die Vermehrung der Tumorzellen, aber greift gleichzeitig auch die gesunden Zellen an. Dies schwächt den Körper.

Eine Strahlentherapie kann je nach Körperstelle und Größe des bestrahlten Gebiets zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit führen.

Die Aktivierung der Immunzellen fühlt ebenfalls häufig dazu, dass grippeähnliche Symptome wie Muskel- und Knochenbeschwerden, Fieber und Erschöpfung auftreten. Die Immuntherapie ist jedoch für die Verringerung des Wachstums der Krebszellen verantwortlich. Außerdem soll sie die Immunabwehr aktivieren.

Kommt es zu einer Operation kann dies ebenfalls eine Fatigue bedingen. Betroffene können durch den Blutverlust, die Veränderung des Wasser- und Mineralstoffhaushaltes sowie der Narkose über einen längeren Zeitraum erschöpft sein.

Die Strahlen- und Chemotherapien können oft eine Anämie verursachen. Diese ist eine weitere Ursache für Fatigue. Rote Blutkörperchen sind dafür verantwortlich, dass der Sauerstoff aus der Lunge über den Blutkreislauf in den gesamten Körper transportiert wird. Bei einer Anämie wird die Anzahl dieser roten Blutkörperchen verringert. Somit wird der Körper nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Dies kann zu Kraftlosigkeit und Erschöpfung führen.

Die Symptome von Fatigue wirken sich körperlich, kognitiv und seelisch aus | © Ketut Suiyanto Pexels Die Symptome von Fatigue wirken sich körperlich, kognitiv und seelisch aus (Ketut Suiyanto Pexels)

Fatigue und Depressionen

Auch, wenn Fatigue häufig von einer Depression begleitet wird, ist sie nicht mit ihr zu verwechseln oder gleichzusetzen. Psychische Belastungen, Ängste oder auch Stress können Depressionen bedingen.

Fatigue und Schlafstörungen

Schlafstörungen können zu Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen führen. Wir kennen es alle: Haben wir nicht ausreichend geschlafen fühlen wir uns oftmals morgens gereizt, angespannt und nicht leistungsfähig. Das liegt daran, dass im Schlaf wichtige Regenerations- und Speicherprozesse für den Körper und das Gehirn stattfinden.

Auswirkungen von Fatigue

Fatigue wirkt sich auf unterschiedliche Bereiche im Leben aus:

  • Reduktion im Beruf und bei Haushaltsaufgaben. Sport wird oft gänzlich aufgegeben.
  • die eigenen Kinder, Angehörigen und Freunde werden nur mit größter Mühe ertragen.
  • Haushaltsaufgaben werden von Angehörigen erledigt -> Erschöpfung der Angehörigen
  • klar denken, konzentrieren oder sich etwas zu merken wird schwieriger.
  • eigene Gefühle und Stimmung verändern sich.

Man spricht bei Fatigue jedoch auch von einem "Teufelskreis". Denn zuerst werden die Tätigkeiten aufgegeben die nicht zwingend notwendig sind. Darunter fallen Hobbys, Teilnahme an der Gesellschaft oder soziales Leben. Darauf folgt eine Reduktion der Aufgaben im Haushalt oder Beruf. Teilweise müssen diese komplett aufgegeben werden. Hieraus kann sich eine emotionale Belastung entwickeln. Das Gefühl die Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können kann zu einem Gefühl der Unfähigkeit führen. Das treibt die Fatigue weiter an.

Fatigue und ihre Behandlung

Die Fatigue kann in unterschiedlichen Behandlungsformen verringert werden. Beispielsweise durch körperliches Training, medikamentöse Therapie, medizinische Rehabilitation, Mind-Body-Verfahren, Psychoonkologie oder Ergotherapie.

Körperliches Training bei Fatigue

Körperliches Training kann die körperliche und die seelische Fatigue verringern. Jedoch sollte man sich nicht an seinem früheren Leistungsstand orientieren. Es muss sich nicht nur um sportliche Aktivitäten handeln, sondern eine verstärkte Bewegung im Alltag reicht. Als wirksam hat sich ein Ausdauertraining von 2–3-mal pro Woche und Krafttraining von 1-2-mal pro Woche erwiesen. Dies sollte jedoch unter Anleitung und mit Aufstellung eines Trainingsplanes geschehen.

Geeignete Sportarten sind beispielsweise:

  • Nordic Walking
  • Radfahren
  • Schwimmen
  • angeleitetes Krafttraining
  • Yoga
  • Reha-Sport
  • Tanzen

Übungen finden Sie in der Broschüre „Fitness trotz Fatigue“ von der Fatigue Gesellschaft. Erste Erfolge kann man in einem Fitnesstagebuch festhalten.

Welche Auswirkungen hat das Training auf Sie?

  • Steigerung von Kraft und Ausdauer
  • Verminderung von Fatigue
  • Besserung von kognitiven Einschränkungen
  • Bessere Beweglichkeit
  • Besseres Körpergefühl
  • Anstrengung führt zu anschließender Entspannung
  • Besserer Schlaf
  • Verminderung von Stress und Ängsten
  • Steigerung des Selbstwertgefühls

Gerade Sport in der Gruppe motiviert viele Betroffene noch mehr. Sollte es bei Ihnen ebenso sein, so könnte auch Reha-Sport eine Möglichkeit sein.

Medikamentöse Therapie bei Fatigue

Bei Fatigue können ebenfalls Medikamente unterstützen. Im Zentrum der Behandlung stehen jedoch die nicht medikamentösen Behandlungen. Die Medikamente richten sich nach den individuellen Beeinträchtigungen. Eine medikamentöse Behandlung kann sinnvoll sein, wenn der Fatigue eine Zuckerkrankheit, Schilddrüsenerkrankung oder eine Anämie zugrunde liegt.

Medikamentöse Ansätze bei Fatigue

  • Kortison (nur bei palliativen Behandlungssituationen)
  • Amphetamine (antriebsteigernde Substanzen)
  • Antidepressiva (diese wirken nur bei depressionsbedingter Fatigue)

Methylphenidat ist ein Aufmerksamkeitssteigender Wirkstoff, der bei ADHS eingesetzt wird. Dieser kann in Einzelfällen hilfreich sein.

In mehreren Studien mit Krebspatient*innen konnte nachgewiesen werden, dass Ginseng wirksam gegen die Erschöpfungszustände ist. Sprechen Sie Medikamente immer mit ihrer*m Ärzt*in ab.

Medizinische Rehabilitation bei Fatigue

Bei einer chronischen Fatigue können Therapieprogramme entwickelt werden. Diese richten sich nach der Ausprägung der Fatigue. Daher können unterschiedliche Angebote wahrgenommen werden. Wichtig ist, dass die Angebote auf die Leistungsfähigkeit der Betroffenen abgestimmt ist.

Angebote während der Rehabilitation:

  • Psychoedukative Gruppen
  • Anleitung zum Aktivitätsmanagement
  • Kognitives Trainingsprogramm
  • Abgestufte Bewegungstherapie
  • Entspannungsverfahren
  • Psychosoziale Unterstützung (Einzel- / Gruppengespräche)
  • Mind Body Therapien (Yoga, QiGong, Achtsamkeitstraining wie z.B. MBSR)

Bei einer Behandlung einer tumorbedingten Fatigue können folgende Angebote in Frage kommen:

  • Information, Beratung, Energieökonomie, Anleitung zum Selbstmanagement
  • Individuell angeleitete Bewegungstherapie (Ausdauer- und Krafttraining)
  • Psychoedukative Fatigue-Gruppe
  • Psychoedukation Schlaf und Schlafstörungen
  • Entspannungstraining (z.B. progressive Muskelrelaxation)
  • Ernährungsberatung, ggf. Ernährungstherapie
  • Yoga, Achtsamkeitsübungen u.a.
  • Überprüfung Medikamente, ggf. Umstellung
  • Beratung pharmakologische Begleittherapie

Psychoonkologie bei tumorbedingter Fatigue

Die Psychoonkologie beschäftigt sich mit der Diagnostik, Beratung und Behandlung von seelischen und sozialen Einschränkungen von Krebspatient*innen. Menschen mit Fatigue wird geholfen, Strategien für den Umgang mit Fatigue zu entwickeln. Adressen zu Psychoonkolog*innen finden Sie bei der:

Mind-Body-Verfahren

Dieser moderne Ansatz aus den USA beschäftigt sich damit, achtsam mit sich selbst umzugehen. Das Verfahren wird auf Körper, Seele und Geist angepasst. Ziel ist es, seine eigenen Ressourcen zu kennen und achtsam einzusetzen.

Beispiele hierfür sind:

  • Meditation
  • Yoga
  • Atemübungen
  • Achtsamkeitsübungen
  • Entspannungsverfahren
  • Tai-Chi
  • Qi-Gong
  • Autogenes Training
  • Progressive Muskelentspannung
  • Musiktherapie

Ergotherapie bei Fatigue

In der Ergotherapie stehen vordergründig Energiesparstrategien. Auch hier stehen den Betroffenen verschiedene Angebote zur Verfügung. Bei der Suche sollte sich auf Ergotherapeut*innen spezialisiert werden, die Erfahrungen in dem Bereich Fatigue haben.

Beruflicher Wiedereinstieg mit Fatigue

Nach einer langen Erkrankung erfolgt eine stufenweise Wiedereingliederung, wenn Sie wieder in das Arbeitsleben einsteigen möchten. Sie starten mit wenigen Stunden pro Tag. Das Pensum wird langsam erhöht. Dieser klassische Weg ist jedoch für Menschen mit Fatigue nicht ideal, so dass Individuallösungen gefunden werden müssen:

Allgemeine Tipps für den beruflichen Wiedereinstieg

  • Nicht überfordern
  • Auf die Signale des Körpers achten
  • Über kleine Erfolge freuen
  • Beraten lassen

Tipps rund um Fatigue

Fatigue hat Auswirkungen auf den Alltag. Dies ist nicht nur für die Betroffenen zu akzeptieren, sondern auch von allen Beteiligten. Kommunikation ist ein wichtiger Baustein im Zusammenleben. Es sollten offene Gespräche geführt werden, welche Hilfe gut gemeint ist, und welche gebraucht wird. Aufgrund der Fremdbestimmung und Unberechenbarkeit der Erkrankung fühlen sich Betroffene oft ausgeliefert, traurig und wertlos. Sie wollen gebraucht werden, müssen aber mit ihrer Energie haushalten.

Tipps die für Betroffene und Angehörige

  • über Fatigue informieren
  • Kommunikation über die Auswirkungen der Erkrankung mit allen Beteiligten
  • Wünsche und Bedürfnisse erklären
  • Auch Angehörige benötigen Ruhepausen
  • Gemeinsame Aktivitäten sind wichtig
  • Gefühle zulassen

Kinder spüren vieles. Sprechen Sie daher auch offen und ehrlich mit ihnen. Nehmen sie ihre Wünsche und Ängste ernst und beantworten ihnen ihre Fragen. Kinder gehen unterschiedlich mit der Situation um.

Der Austausch unter Betroffenen kann wertvoll sein. Wer sich mit anderen austauschen möchte, kann sich bei NAKOS über Selbsthilfegruppen informieren.


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