Rechtsgrundlagen der Inklusion: UN-Behindertenrechtskonvention und European Accessibility Act
Sowohl auf der internationalen als auch auf der europäischen Basis ist die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung ein wichtiges Anliegen. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren Rechtsgrundlagen auf internationaler Ebene geschaffen, die dies ermöglichen sollen.
Internationale und europäische Rechtsinstrumente sind wichtige Mittel für die Erreichung ganzheitlicher Inklusion. (Mathias P.R. Reding/ unsplash)
UN-Behindertenrechtskonvention
2006 bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (Behindertenrechtskonvention, BRK) verabschiedet. Dieses trat 2008 in Kraft und ist ein mit 128 Staaten und der EU abgeschlossener Vertrag.
Dieser hat zum Ziel die Menschenrechte von Menschen mit Behinderung zu fördern, schützen und gewährleisten, sodass ihnen die gleichberechtigte Teilhabe beziehungsweise Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.
Rund 15 Prozent der Weltbevölkerung leben mit einer Behinderung. Manchmal leben sie am Rande der Gesellschaft und kämpfen um Integration. Um die Position und insbesondere Teilhabe an der Gesellschaft von Menschen mit Behinderung zu verbessern wurde das Konzept der Inklusion entwickelt.
Ziel der Behindertenrechtskonvention
Dadurch soll eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Artikel 3 der BRK enthält die Vorgabe, dass Menschen mit Behinderung die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und vor allem die Einbeziehung in die Gesellschaft erhalten. Inklusion beinhaltet auch die unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gesellschaft.
Gemeinsamer Unterricht unabhängig von Behinderungen
Artikel 24 der BRK ist in Deutschland am wichtigsten. Zentraler Punkt ist die Möglichkeit der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung in Regelschulen und Besuch von Universitäten. Im schulischen Bereich wird in Deutschland bisher mit Unterscheidungen und begrifflichen Einteilungen wie Lernbehinderung gearbeitet, die international nicht existieren und nicht verständlich sind.
Das setzt allerdings eine Umstellung des Unterrichts an Schulen auf ganzheitliche Lernkonzepte voraus, wie dies bereits in Australien intensiv gelebt wird. Dort ist Inklusion sogar im Sportunterricht ein selbstverständlicher Teil des Lehrplans. Insbesondere bis zur 6. Klasse werden die Kinder gemeinschaftlich unterrichtet und die Schulen erhalten vom Staat finanzielle Förderungen für die Umsetzung.
Zwischenbericht nach 10 Jahre
Im Jahre 2019 hat die Aktion Mensch zum 10-jährigen Bestehen der Behindertenrechtskonvention einen Bericht zur Zwischenbilanz gezogen. Die Ergebnisse, welche sich auf einen Staatenbericht beziehen, sind teils ernüchternd, teils zeigt sich aber auch eine positive Entwicklung in der Inklusion. Kritisiert wurden vor allem Doppelstrukturen in Bildung, Wohnen und Arbeit. Auch die fehlende Barrierefreiheit war ein Kritikpunkt. Diese ist jedoch Schwerpunkt des „European Accessibilty Acts“. Es gab aber auch positiven Lichtpunkte.
„ Positiv im Prüfbericht erwähnt ist beispielsweise die Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung von Inklusion und die Einsetzung einer Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Lob bekam Deutschland auch für die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes, durch die Barrierefreiheit in Nahverkehrsplänen mehr Gewicht bekommt, sowie für die bereits im Jahr 2002 erfolgte Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als eigenständige Sprache. “
European Accessibilty Act
Der theoretische Zugang zu inklusiven Maßnahmen ist jedoch kein Garant für gesellschaftliche Teilhabe und Teilnahme. Dazu gehört auch, wie zugänglich diese Angebote sind. Dies hat der im Jahr 2019 verabschiedete „European Accessibilty Act“ in den Fokus gesetzt.
Der „European Accessibilty Act“ ist eine sogenannte europäische Richtlinie. Als solche gilt sie nicht unmittelbar für die deutschen Bürger und Institutionen wie zum Beispiel Gerichte. Sie ist vielmehr eine Aufforderung an die nationalen Gesetzgeber, neue Gesetze zu verabschieden und gegebenenfalls alte zu ändern, um das Ziel der Richtlinie – in diesem Fall die Barrierefreiheit – zu erfüllen. Als Bürger*in beruft man sich demnach nicht auf die europäische Richtlinie, also den „European Accessibilty Act“, sondern auf die daraus resultierenden Gesetze in Deutschland.
Die nationalen Gesetze für Barrierefreiheit, wie vom „European Accessibilty Act“ gefordert, sollen bis zum Juni 2022 eingeführt werden. Tatsächlich angewandt werden, sollen diese Gesetze dann spätestens ab Juli 2025.
Der Fokus der Richtlinie liegt in der „ Accessibility“. „Accessibilty“ heißt aus dem Englischen übersetzt „Zugänglichkeit“. Gemeint hiermit ist die Barrierefreiheit.
Barrierefrei werden für Verbraucher unter anderem:
- Online-Handel
- Hardware-Produkte (Computer, Smartphones, Notebooks und Weiteres)
- Bankdienstleistungen (auch Geld- und Bankautomaten)
- elektronische Kommunikation (Telefone, Router, Modems, auch Beantwortung des Notrufs)
- Zugang zu audiovisuellen Medien (öffentlich-rechtliche und private Fernsehanstalten, sowie Streaming-Dienste)
- E-Books
- Personenverkehrsdienste (Bahn, Bus, Schiff und Flug)
Es besteht zwar bei der Anwendung und Ausführung beider internationaler Rechtsinstrumente Nachholbedarf in Deutschland, dennoch ist eine positive Entwicklung hin zu einer offeneren Gesellschaft zu sehen. Der Weg zu ganzheitlicher Inklusion ist noch weit, aber die ersten Schritte wurden und werden kontinuierlich auch weiter gemacht.