Mit einer Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch: Alles, was Sie wissen müssen
Sind alle Bewerbungsunterlagen verschickt und der oder die potentielle Arbeitgeber*in hat sich bereits positiv auf die Bewerbung zurückgemeldet? Ist der Grundstein für eine zukünftige Anstellung mit Schwerbehinderung erst einmal gelegt? Im nächsten Schritt dürfen Sie das Unternehmen im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs persönlich kennen lernen und den oder die Arbeitgeber*in von Ihnen und Ihren Stärken überzeugen.
Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist ein wichtiges Ziel. (Pixabay)
Menschen mit einer Schwerbehinderung unterliegen dabei einem besonderen Schutz und werden im Rahmen des Bewerbungsprozesses vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin bevorzugt behandelt. Dies ist für Unternehmen nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine große Bereicherung. Mit unseren Tipps und Infos zu den rechtlichen Aspekten meistern Sie Ihr Vorstellungsgespräch mit Links.
Inhaltsverzeichnis
Der Schwerbehindertenausweis
Das Neunte Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 SGB IX) definiert Menschen mit einer Behinderung allgemein als „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“
Auf wen diese Beschreibung zutrifft, der erhält einen Schwerbehindertenausweis. Die Schwerbehindertenausweisverordnung legt fest, dass der Schwerbehindertenausweis in der Regel für die Dauer von maximal 5 Jahren ausgestellt wird. Sofern die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, kann der Ausweis zweimal verlängert und sogar unbefristet ausgestellt werden, wenn keine Änderung in Art und Schwere der Behinderung zu erwarten ist.
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Rechte und Pflichten von Arbeitnehmenden
Um Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen optimal einzugliedern oder zu schützen, spricht Ihnen das Gesetz besondere Rechte zu. Diese Rechte betreffen sowohl den Bewerbungsprozess als auch das laufende Arbeitsverhältnis sowie Kündigungsabläufe und greifen somit nicht erst mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags.
Grad der Behinderung
Grundsätzlich sind diese Sonderrechte von Arbeitnehmer*innen abhängig vom Grad der Behinderung. Ab einem Beeinträchtigungsgrad von 20 spricht man von einer Behinderung und ab einem Grad von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor. Wenn der feste Wohnsitz in Deutschland liegt, kann mit einem Behinderungsgrad von 30 bis 40 bei der Agentur für Arbeit eine Gleichstellung beantragt werden, um Sonderrechte – wie beispielsweise einen anteiligen Zusatzerutlaub – zu erhalten, die sonst nur Menschen mit einem Grad der Behinderung ab 50 zustehen. Bei der Berufsausbildung werden Jugendliche und junge Erwachsene bereits mit einem Behinderungsgrad von unter 30 automatisch einem Menschen mit einer Schwerbehinderung gleichgestellt.
Rechte im Vorstellungsgespräch
Im Vorstellungsgespräch darf der oder die Arbeitnehmer*in nicht nach seiner oder ihrer Behinderung gefragt werden. Sollte dies doch der Fall sein, hat er oder sie das „Recht zur Lüge“ und darf die Frage auch unwahrheitsgemäß beantworten, ohne dass dies zu negativen Konsequenzen führt. Dasselbe gilt während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses. Auch wenn das Thema Behinderung nicht konkret vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin angesprochen wird, muss der oder die Arbeitnehmer*in den oder die Arbeitgeber*in nicht aus Eigeninitiativ darüber informieren. Obwohl für Menschen mit Behinderung erweiterte Rechte gelten, entschließen sich manche Arbeitnehmer*innen dafür, die Behinderung zu verschweigen, um gleich behandelt zu werden. Dies kann jedoch zu negativen Folgen im Falle einer Kündigung führen.
Besonderheiten im bestehenden Arbeitsverhältnis
Auch im bestehenden Arbeitsverhältnis haben Menschen mit Behinderung besondere Rechte. Diese sollten bei einem Vorstellungsgespräch nicht außer Acht gelassen werden. Menschen mit einer Schwerbehinderung haben Anspruch auf eine Tätigkeit, bei der Sie Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten anwenden und weiterentwickeln können. Bei Berufsbildungsmaßnahmen wird Ihre Behinderung besonders berücksichtigt und im Falle eines Leistungsfalls haben Arbeitnehmer*innen mit Behinderung das Recht auf einen Schonarbeitsplatz. Schonarbeitsplätze sind Arbeitsplätze, auf denen Beschäftigte mit gesundheitlichen Problemen eingesetzt werden, die nicht mehr in der Lage sind, ihren ursprünglichen Arbeitsplatz auszufüllen.
Außerdem steht Arbeitnehmer*innen mit einer Schwerbehinderung ein anteiliger Zusatzurlaub zu, der auf den vertraglich vereinbarten Urlaub zugerechnet wird. Dieser beträgt bei einer Vollzeitbeschäftigung mit einer 5-Tage-Woche eine ganze Woche zusätzlich. Dem oder der Arbeitnehmer*in steht zusätzlich das Recht auf Befreiung von Mehrarbeit, wie das Ableisten von Überstunden sowie das Recht auf Arbeitsverkürzung zu. Das bedeutet, dass eine Teilzeitbeschäftigung beantragt werden kann, ohne auf Fristen oder andere Voraussetzungen zu achten, sofern die Notwendigkeit dessen durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wird.
Sonderkündigungsschutz für Arbeitnehmende mit Schwerbehinderung
Zusätzlich gilt für Arbeitnehmer*innen mit Schwerbehinderung ein sogenannter Sonderkündigungsschutz, der nach einer Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten bei bekannter Behinderung zum Einsatz kommt. Kam die Behinderung gegenüber dem oder der Arbeitgeber*in noch nicht zur Sprache, muss dies innerhalb von 3 Wochen nachgeholt werden. Dieser Schutz greift auch, wenn die Behinderung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht anerkannt war, sofern der Antrag auf Anerkennung bereits gestellt wurde. Eine betriebsbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung ist in seltenen Fällen nicht ausgeschlossen, benötigt jedoch die Zustimmung des Integrationsamts.
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Rechte und Pflichten von Arbeitgebenden
Auch auf der Seite des Arbeitgebenden spricht das Gesetz bestimmte Rechte und Pflichten aus, um Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen optimal einzugliedern und zu schützen. Diese betreffen nicht nur neue Stellenausschreibungen und den Umgang mit Bewerbungen von Menschen mit einer Schwerbehinderung, sondern auch das bestehende Arbeitsverhältnis.
Neue Stellenausschreibungen von Unternehmen
Grundsätzlich sind Unternehmen dazu verpflichtet, der Agentur für Arbeit neu ausgeschriebene Stellen zu melden. Dort wird untersucht, ob die offene Stelle auch von einer schwerbehinderten oder gleichgestellten Person besetzt werden kann. Meldet ein Unternehmen die freien Arbeitsplätze nicht an die Agentur für Arbeit, können Entschädigungsansprüche an den oder die Arbeitgeber*in gestellt werden.
Handelt es sich hingegen um einen öffentlichen Arbeitgeber, so ist dieser dazu verpflichtet, Bewerber*innen mit einer Schwerbehinderung immer zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies trifft jedoch nicht zu, wenn der Bewerber oder die Bewerberin nicht über die nötigen Qualifikationen und Fertigkeiten verfügt, die für den Arbeitsplatz vorausgesetzt werden.
Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeiter*innen sind verpflichtet, eine bestimmte Schwerbehindertenquote zu erfüllen und mindestens einen Arbeitsplatz durch einen Menschen mit einer Schwerbehinderung zu besetzen. Unternehmen mit über 60 Mitarbeiter*innen müssen 5 Prozent der Arbeitsplätze durch Menschen mit Schwerbehinderungen besetzen (Ausbildungsplätze zählen dabei nicht als Arbeitsplätze mit). Andernfalls muss das Unternehmen eine Ausgleichsabgabe von bis zu 360€ pro Monat und pro unbesetzten Arbeitsplatz zahlen.
Der Umgang mit Bewerbungen von Menschen mit Schwerbehinderungen
Erhält der oder die Arbeitgeber*in eine Bewerbung von einem Menschen mit einer Schwerbehinderung, so muss er seiner Pflicht nachgehen und diese Bewerbung mit der Schwerbehindertenvertretung besprechen, zusätzlich wird die Bewerbung mit der Stellungnahme der Behindertenvertretung an den Betriebsrat weitergeleitet.
Grundsätzlich ist es dem oder der Arbeitgeber*in nicht gestattet, den Bewerber oder die Bewerberin nach einer bestehenden Behinderung zu fragen. In seltenen Fällen kann eine unterschiedliche Behandlung von Bewerber*innen mit Behinderung gegenüber Menschen ohne Behinderung erfolgen. Dies ist der Fall, wenn eine Differenzierung aufgrund besonderer Anforderungen für die konkrete Stelle wie betriebliche Arbeitsabläufe oder vorgesehene Arbeitsaufgaben notwendig ist.
Besonderheiten im bestehenden Arbeitsverhältnis
Auch im bestehenden Arbeitsverhältnis muss der oder die Arbeitgeber*in einigen Pflichten nachgehen, diese sollten bereits im Vorstellungsgespräch berücksichtigt werden.
Grundsätzlich muss der oder die Arbeitgeber*in den Arbeitsplatz, das Arbeitsumfeld, sowie die Arbeitszeiten so behindertengerecht wie möglich gestalten und mit den erforderlichen technischen Hilfsmitteln ausstatten. Die Agentur für Arbeit berät in diesem Zusammenhang über Fördermöglichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass der oder die Arbeitgeber*in nur Maßnahmen ergreifen muss, die zumutbar sind.
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Grundsätzliche Tipps für das Vorstellungsgespräch
Um bei der Jobsuche so erfolgreich wie möglich zu sein und bei einem Vorstellungsgespräch alle persönlichen Stärken und Besonderheiten hervorzuheben, gibt es einige Tipps, um eine optimale Bewerbungsstrategie zu entwickeln.
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1
Lebenslauf und Zeugnisse ausdrucken und mitbringen
Zu Beginn des Vorstellungsgesprächs werden Sie in der Regel aufgefordert, sich einmal kurz vorzustellen und etwas über sich zu erzählen. Hierfür können Sie im Vorfeld eine kurze Selbstpräsentation vorbereiten, diese sollte nicht länger als etwa 2 Minuten dauern und ein paar Besonderheiten hervorheben. Ihren Lebenslauf sowie Zertifikate oder Bescheinigungen bringen Sie am besten in ausgedruckter Form mit. Besonders die praktischen Erfahrungen und fachlichen Qualifikationen, die für die angestrebte Position vorausgesetzt werden, sollten Sie hervorheben und Arbeitszeugnisse ebenfalls ausgedruckt mitbringen.
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2
Fragen und Antworten vorbereiten
Vorstellungsgespräche laufen in der Regel nach einem ähnlichen Muster ab. Sie können sich im Vorfeld bereits überlegen, was Sie über das Unternehmen und die freie Stelle noch gerne erfahren möchten. Außerdem ist es empfehlenswert, sich vorab Gedanken darüber zu machen, welche Fragen der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin stellen könnte und sich darauf bereits einige Antwortmöglichkeiten zurechtzulegen.
Fragen, die der oder die Arbeitgeber*in stellen könnte:
- Wie sieht Ihr optimales Arbeitsumfeld aus?
- Welche Gehaltsvorstellungen haben Sie?
- Wie sind Sie auf die freie Stelle aufmerksam geworden?
- Warum interessieren Sie sich für diese Stelle?
- Warum möchten Sie Ihre jetzige Stelle aufgeben?
- Was sind Ihre individuellen Stärken?
- Was war Ihre letzte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?
- Was hätten Sie noch in die Bewerbung geschrieben, wenn Sie mehr Platz gehabt hätten?
Fragen, die den oder die Arbeitnehmer*in interessieren könnten:
- Welche Tätigkeiten fallen bei der offenen Stelle an?
- Was sind die grundlegenden Arbeitsbedingungen (Kernarbeitszeiten, Homeoffice)?
- Warum ist die Stelle frei geworden?
- Was gibt es über die Unternehmenskultur zu wissen?
- Welche Aufstiegschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
- Gibt es Benefits wie Gutscheine für Mitarbeiter*innen, etc.?
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3
Hintergrundrecherche über das Unternehmen
Um den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin beim Vorstellungsgespräch von Ihnen zu überzeugen und zu beweisen, dass Sie sich bereits mit Ihrem potenziellen Arbeitgeber oder Ihrer potenziellen Arbeitgeberin auseinandergesetzt haben, sollten Sie sich im Vorfeld ausreichend über das Unternehmen informieren. Meist ist für das nötige Wissen ein kurzer Blick auf die Firmenwebsite ausreichend.
Folgende Fragen sollten Sie dabei besonders berücksichtigen:
- In welcher Branche ist das Unternehmen tätig?
- Welche Produkte oder Dienstleistungen bietet das Unternehmen an?
- Was sind mögliche Mitbewerber*innen?
- Wie viele Mitarbeiter*innen hat das Unternehmen?
- Wie viel Umsatz erzielt das Unternehmen?
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4
Anreise planen
Vorab sollten Sie die Anreise zum Vorstellungsgespräch gut durchplanen und sich ansehen, wie Sie vom Bahnhof oder der Bushaltestelle zum Unternehmen kommen, bzw. ob Parkmöglichkeiten für die Anreise mit dem Auto vorhanden sind. Zusätzlich empfiehlt es sich, immer einen zeitlichen Puffer einzuplanen, um am Bewerbungstag Stress zu vermeiden. Außerdem sollten Sie im Vorfeld klären, wer Sie zum Vorstellungsgespräch begleiten kann, sofern Sie auf eine Begleitperson angewiesen sind. Wenn das Unternehmen eine längere Anfahrt hat und eine Übernachtung erforderlich ist, sollten Sie sich rechtzeitig um eine geeignete Unterkunft kümmern. Zusätzlich können Sie bei der Personalabteilung nachfragen, inwiefern das Unternehmen die Kosten für Ihre Anreise übernimmt.
Weiterführende Informationen
- Arbeitsrechtliche Hinweise und Rahmenbedingungen
- Ansprechpartner Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes
- Sie möchten sich zu Problemen bei Vorstellungsgesprächen mit der Community austauschen und spannende Erfahrungen teilen? Dann werden Sie Mitglied in unserer EnableMe Community!
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