Die Harninkontinenz tritt deutlich häufiger auf als die sogenannte Stuhlinkontinenz, bei welcher der Kot nicht mehr zurückgehalten werden kann. Es wird zwischen Stressinkontinenz, Dranginkontinenz, Überlaufinkontinenz und Reflexinkontinenz unterschieden. Treten Stress- und Dranginkontinenz zusammen auf, spricht man von einer Mischinkontinenz.
Stressinkontinenz
Bei der Stressinkontinenz – auch Belastungsinkontinenz genannt – ist die Beckenbodenmuskulatur geschwächt, sodass der Schließmuskel der Harnröhre nicht mehr richtig funktioniert. Kommt es zu einem erhöhten Bauchinnendruck bei Belastung (etwa beim Heben, Halten, Tragen, Treppensteigen, Husten oder Lachen) wird der Harnverlust ausgelöst. Diese Form der Inkontinenz ist bei Frauen sehr viel weiter verbreitet als bei Männern. Rund 70 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Als Ursache gilt häufig die Überdehnung und Erschlaffung der Haltebänder und des Beckenbodens, die oft als Folge einer Schwangerschaft auftritt. Bei Männern hingegen tritt die Belastungsinkontinenz durch eine Schädigung des äußeren Blasenschließmuskels durch Operationen oder Unfälle auf.
Um den Haltemechanismus zu unterstützen, sollten Betroffene mit einer Belastungsinkontinenz regelmäßig die Beckenbodenmuskulatur trainieren. Zudem gibt es Medikamente, die eingesetzt werden können. In schweren Fällen kann auch eine Operation infrage kommen.
Dranginkontinenz
Bei der Dranginkontinenz – auch Urge-Inkontinenz genannt – ist die Blase überaktiv. Durch eine Kontraktion der Blasenentleerungsmuskulatur kommt es zu plötzlichem Harndrang, sodass die Toilette häufig nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Hauptgrund für diese Inkontinenzform ist das fortgeschrittene Alter. Ursächlich sind aber auch häufig Entzündungen der Blase, Übergewicht, Diabetes mellitus oder eine Schädigung der Nerven, zum Beispiel bei Multiplen Sklerose, Alzheimer, Parkinson oder nach einem Schlaganfall.
Diesem Problem kann mit Blasentee, Wärme oder Mitteln natürlichen Ursprungs wie dem Einfachzucker D-Mannose entgegengewirkt werden. Auch ein geregelter Entleerungszeitplan kann ungewollten Urinverlust vermeiden.
Überlaufinkontinenz
Die Überlaufinkontinenz – auch als chronische Retention bezeichnet – entsteht durch eine ständig übervolle Harnblase. Ursache dafür sind häufig Veränderungen der Organe Blase und Prostata, aber auch das Erschlaffen von Muskulatur. Auch bei der Überlaufinkontinenz sollte man zunächst die Ursache herausfinden, um mögliche organische Schäden richtig behandeln zu können. Bei irreversiblen Veränderungen kann auch ein Dauerkatheter zum Einsatz kommen, um die Folgen der Erkrankung für den Patienten im Alltag zu minimieren.
Und noch einen Rat hat Urotherapeuth Uwe Papenkordt: "Betroffene sollten dann zur Toilette gehen, wenn sie müssen und nicht den Urin zurückhalten. Der weit verbreitete Glaube, damit könne man die Blase trainieren, ist eine Mär."
Reflexinkontinenz
Daneben existieren noch andere Formen wie zum Beispiel die Reflexinkontinenz. Hier kann das Gehirn die Signale an die Blase aufgrund einer Schädigung oder Fehlbildung der Nervenbahnen nicht richtig oder gar nicht steuern. Das kann etwa bei einer Querschnittslähmung oder einer neurologischen Erkrankung der Fall sein.
Diagnose der Inkontinenzform
Um herauszufinden, welche Form der Inkontinenz vorliegt, sollten Betroffene unbedingt medizinischen Rat einholen. Jedoch kann es auch hilfreich sein, sich hierfür schon vorab folgende Fragen zu stellen:
- Zu welchen Zeiten verliere ich Urin?
- In welchen Situationen verliere ich Urin?
- Wie viel Urin verliere ich?
- Wie sieht der Harnstrahl beim Wasserlassen aus und wie hört er sich an?
- Wie viel trinke ich?
Diese Informationen helfen dabei, eine sichere Diagnose zu stellen und der betroffenen Person die richtige Therapie und Versorgung mit Hilfsmitteln zu empfehlen.
Behandlung der Inkontinenz
Für die Vielzahl von Inkontinenzformen gibt es eine entsprechende Vielzahl von Hilfen und Hilfsmitteln. Die große Palette reicht vom erwähnten Beckenbodentraining über aufsaugende Hilfen wie windelähnliche Unterlagen zu ableitenden Hilfen wie Kathetern.
Mediziner*innen und Selbsthilfeverbände raten dazu, Hilfsmittel je nach Möglichkeit primär nicht als Dauerlösung anzusehen, sondern als ergänzende, begleitende Hilfen. Ein Katheter birgt beispielsweise ein Infektionsrisiko und ein Beckenbodentraining würde bei Menschen mit Querschnittlähmung nicht immer funktionieren.
Eine operative Lösung ist beispielsweise die TVT-Methode, bei der die Blase mittels eines Bandes leicht angehoben und der Schließmuskel dadurch gestärkt wird. Oder auch der Einsatz einer sogenannten Sphinkterprothese – hierbei kann durch einen im Körperinneren eingesetzten künstlichen Schließmuskel mittels einer manuell bedienbaren Pumpe die Blase entleert werden.
Allerdings sollten Operationen immer als letztes Mittel betrachtet werden. Am wichtigsten ist es, alle Möglichkeiten zu nutzen, um langfristig die Kontinenz zu erlangen – ob mit Training, mit medizinischen Maßnahmen oder mit operativen Eingriffen. Letztendlich liegt es an der betroffenen Person selbst, welche Maßnahmen und Hilfsmittel für sie am besten geeignet sind