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Paranodopathie – mit seltenen Autoimmunerkrankung zurück ins Leben finden

Vor eineinhalb Jahren erkrankte Wiebke an Paranodopathie und kämpft sich seitdem zurück in einen weitgehend selbstständigen Alltag. Uns berichtet Wiebke, wie sie von der Diagnose erfuhr und wie es ihr jetzt geht, um über die seltene Krankheit aufzuklären und anderen Betroffenen Mut zu machen.

Eine Sprechblase und ein Mikrophon, dazwischen der Schriftzug Persönliche Erfahrungsberichte, auf dunkelblauem Hintergrund. | © EnableMe

Persönlicher Erfahrungsbericht (EnableMe)

Wiebke sitzt lächelnd mit überschlagenen Beinen in ihrem Rollstuhl vor einer grünen Hecke. | © Wiebke

Foto: private Aufnahme

Ich bin Wiebke, 35 Jahre alt, und lebe seit Oktober 2020 mit einer sehr seltenen neurologischen Autoimmunerkrankung namens Paranodopathie. Innerhalb eines halben Jahres wurde ich von einer lebensfrohen Archäologin im touristischen Eventmanagement zu einem körperlich unselbstständigen Pflegefall. 

Seit Anfang dieses Jahres geht es mir wieder besser und meine Reise geht weiter. Mal sehen, wo ich ankomme. Dabei möchte ich Sie mitnehmen, aufklären und Mut machen! Daher habe ich auf Instagram den Kanal @chronisch_unbezwingbar ins Leben gerufen. Ich berichte über meinen Alltag mit Paranodopathie, im Rollstuhl, mit der Botschaft im Schlepptau niemals aufzugeben, das Leben trotz aller Widrigkeiten zu lieben und das Beste daraus zu machen.

Paranodopathie – was ist das eigentlich?

Zu meinem neuen Begleiter: Paranodopathie ist eine sehr seltene Variante der ebenfalls seltenen chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP). An CIDP sind etwa 4-8 von 100.000 Personen erkrankt.

Wie bei der Multiplen Sklerose wird durch eigene Antikörper das Myelin, das die Nerven als Schutzhülle umgibt, angegriffen. Dadurch können die Nervenreize nicht mehr richtig übertragen werden und es kommt zu Funktionsstörungen im Körper, wie Muskelschwäche, Missempfindungen und Schmerzen.

Bei CIDP ist hierbei allerdings das periphere und nicht das zentrale Nervensystem – wie bei MS – betroffen. Paranodopathie ist nochmal etwas spezieller: an den sogenannten Ranvierschen Schnürringen werden die paranodalen Proteine durch bestimmte Antikörper angegriffen, wodurch die Reize ebenfalls nicht mehr übertragen werden können. Um Paranodopathie zu diagnostizieren, bedarf es Untersuchung auf die paranodalen Antikörper hin, was leider oftmals erst durchgeführt wird, wenn offensichtlich wird, dass die herkömmliche CIDP-Behandlung nicht anschlägt. Dabei kann wertvolle Zeit verloren gehen und die Krankheit unaufhaltsam fortschreiten. Wie bei mir.

Beginn und Diagnose meiner Krankheit

Die ersten Symptome traten bei mir im Oktober 2020 in Form von starken migräneartigen Kopfschmerzen, Missempfindungen im Gesicht und Schwäche in den Beinen und Füßen auf. Die Muskelschwäche wurde immer ausgeprägter und wurde schließlich auch von einer zunehmenden Sehschwäche begleitet. Ich torkelte nur noch durch die Gegend und schaffte es über den Jahreswechsel auch nicht mehr ein paar Schritte zu gehen ohne mich irgendwo festzuhalten.

Mittlerweile ging ich wackelig am Rollator und war großer Hoffnung bald wieder gesund zu sein und mein Leben wie gewohnt fortzuführen.

Anfang Januar 2021 kam ich schließlich ins Krankenhaus und erhielt dort bereits nach zwei Tagen die Diagnose CIDP. Es folgte die herkömmliche CIDP-Behandlung mit Plasmapheresen und Immunglobulinen. Zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, was es bedeutet, eine Autoimmunerkrankung zu haben und wie es mein bisheriges Leben in vielen Bereichen ändern wird. Aber eigentlich ist es mir das bis heute nicht.

Reha und der Weg zurück nach Hause

Wiebke im Rollstuhl am Strand mit einer Decke, Stirnband und Sonnenbrille | © Wiebke

Foto: private Aufnahme

Zwischen Februar und April pendelte ich zwischen Reha und Krankenhaus, weil sich mein Zustand immer weiter verschlechterte. Zwischenzeitlich bekam ich die Diagnose Paranodopathie und es wurde deutlich, dass ich eine andere Therapie benötigte. 

Ende März bekam ich die erste Infusion mit dem Immunsuppressivum Rituximab, welches die B-Zellen zerstört aus denen sich die Antikörper entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt saß ich aufgrund meines Kraftverlustes bereits im Rollstuhl und wurde immer unselbstständiger. 

Ich befand mich in der schlechtesten Phase meiner Erkrankung: Missempfindungen und Muskelschwäche (eingeschränkte Mimik) im Gesicht inklusive Sehnerv, Kraftverlust im Rumpf und allmählich auch im autonomen Nervensystem (zum Beispiel plötzlich abfallender Blutdruck/Ohnmachtsanfälle und Schwierigkeiten die Blase zu kontrollieren), Schwäche in den Armen und Händen, Feinmotorikstörung, Gleichgewichtsstörung sowie lahme und fast taube Füße.

Ich konnte nicht mehr alleine stehen, auf Toilette gehen, mich an- und ausziehen, im Bett umdrehen oder meine Haare zu einem Zopf binden und Verpackungen öffnen. Und ich war sehr erschöpft. Am liebsten hätte ich die ganze Zeit nur geschlafen.

Ich musste die Reha Anfang Juli 2021 verlassen, weil ich keine Fortschritte machte. Ich wollte nicht nach Hause, nicht in diesem Zustand. Mein Freund müsste mich pflegen, das wollte ich mir einfach nicht vorstellen.

Zu Hause erwartete mich jedoch das, was mir in Reha und Krankenhaus zu meiner Genesung fehlte: ganz viel Liebe, Zuversicht und vor allem Ruhe. Natürlich war es eine große Herausforderung für uns, doch wir sind gemeinsam daran gewachsen.

Unsere Wohnung liegt im Obergeschoss ohne Fahrstuhl – mein Freund muss mich jedes Mal mit dem Treppensteiger hoch und runter fahren. Das Badezimmer ist nicht rollstuhlgerecht und ich kann nicht alleine duschen. Ich benötigte bei jeder alltäglichen Tätigkeit Unterstützung. Ich konnte noch nicht einmal meinen Briefverkehr selber durchführen, da ich weder den Brieftext lesen noch den Stift zum Schreiben halten konnte. Es war wirklich schrecklich!

Und so geht es mir jetzt

Im April dieses Jahres bekomme ich nun schon die vierte Infusion mit Rituximab und seit Anfang dieses Jahres geht es mir endlich wieder besser. Meine Kraft strömt allmählich wieder durch meinen Körper, ich schaffe es wieder ein paar Schritte am Rollator zu gehen, den Stift zu halten und ein paar Worte zu schreiben, selbstständig meiner Körperhygiene nachzugehen und meinen Freund ein bisschen im Haushalt zu unterstützen.

Besonders freue ich mich momentan darüber wieder etwas auf unserer Terrasse rumwuseln und den Frühling genießen zu können. Das habe ich letztes Jahr doch sehr vermisst.
Wiebke beugt sich nach vorne aus dem Rollstuhl um im Beet zu arbeiten. | © Wiebke

Foto: private Aufnahme

Ich habe meine Krankheit angenommen und versuche nun das Beste daraus zu machen. Immer wieder mit neuen Herausforderungen. Ich wünsche mir, dass ich im Sommer wieder Treppensteigen und alleine in den Garten kommen kann. 

Ich möchte mich im Deutsche GBS CIDP Selbsthilfe e.V. für Betroffene entzündlicher Neuropathien engagieren, um dort andere Menschen mit meinen Erfahrungen zu unterstützen. Aber auch eine mögliche Wiedereingliederung in meinen Beruf steht auf dem Zettel. Natürlich vorausgesetzt, dass mein Medikament weiterhin wirkt und sich meine Nerven so gut regenerieren wie in den letzten Wochen. 

Alles andere steht in den Sternen und ich bin gespannt, wo meine Reise hingeht.


Wir bedanken uns ganz herzlich bei Wiebke, die ihre Erfahrungen so offen und ehrlich mit uns und Ihnen teil.


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