Klaustrophobie: Wie man mit der Angst vor engen Räumen umgeht
Eine Klaustrophobie ist eine Angststörung, bei der Betroffene Angst vor engen oder verschlossenen Räumen haben. Auch wenn viele Betroffene relativ gut mit der Angst leben können, kann sie starke Symptome auslösen. In manchen Fällen kann die Angst überwältigend werden und das Leben stark beeinträchtigen. Doch woher kommt die Angst und was können Sie dagegen tun?
Viele Menschen haben Angst vor Aufzügen. Doch was, wenn die Angst ins Unermessliche steigt? (Bruno Kelzer/unsplash)
Was ist eine Klaustrophobie?
Eine Klaustrophobie ist eine Angststörung und gehört zu den sogenannten spezifischen Phobien. Das sind Phobien, bei denen eine unangemessen starke Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation auftritt.
Der Name Klaustrophobie kommt vom lateinischen „claustrum”, was Verschluss oder Käfig bedeutet, und „phobos”, die Angst. Es geht dabei um die Angst vor verschlossenen Räumen (ohne Fluchtmöglichkeit), weshalb sie auch häufig als Raumangst bezeichnet wird. Studien gehen davon aus, dass etwa 7 bis 8 Prozent der deutschen Bevölkerung an dieser Phobie erkrankt sind.
Betroffene haben Angst vor engen und verschlossenen Räumen, wie beispielsweise Aufzügen oder auch MRTs. Sie können sich aber auch vor dem Aufenthalt in öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderen Räumen fürchten, insbesondere wenn diese überfüllt sind. In besonders schweren Fällen können bereits geschlossene Türen und Fenster Angst auslösen. Wenn Betroffene in einen Raum oder eine Situation kommen, in der sie sich beengt und hilflos fühlen, wächst in ihnen die Angst und löst gar starke körperliche Symptome aus. Viele haben auch eine Panikstörung und bekommen Panikattacken.
Zum Verwechseln ähnlich: Klaustrophobie & Agoraphobie
Eine Klaustrophobie wird häufig auch mit einer Platzangst, der sogenannten Agoraphobie, verwechselt. Beide Erkrankungen gehören zu den spezifischen Phobien und weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Während sich aber Betroffene einer Raumangst vor Enge fürchten, fürchten sich Agoraphobiker*innen vor großen, weiten Räumen oder auch großen Distanzen, beispielsweise wenn sie sich von ihrer vertrauten Umgebung entfernen. Eine Platzangst kann also eher als Gegenteil der Klaustrophobie betrachtet werden. Jedoch ist es durchaus möglich, dass Menschen an beiden Phobien gleichzeitig erkrankt sind.
Ursachen der Klaustrophobie
Wie entsteht nun eine Raumangst? Und wieso scheinen manche Menschen eher betroffen zu sein als andere? Dafür gibt es mehrere mögliche Faktoren, die von Forschenden in Betracht gezogen werden.
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Psychologische Faktoren
Eine mögliche Ursache kann Überforderung durch zu viel Stress, Leistungsdruck oder ungelöste Probleme und Konflikte sein. Auch traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit können eine große Rolle spielen, insbesondere wenn Betroffene beengenden Situationen ausgesetzt oder gar eingesperrt wurden. Ein Ansatz ist aber auch, dass Phobien, wie die Raumangst, mit der Zeit erlernt werden. Bleibt eine Person beispielsweise im Aufzug stecken und bekommt Angst, lernt sie diese Situation zu vermeiden indem sie die Treppe nimmt. Dadurch bleibt die gefürchtete Situation aus und es entsteht gewissermaßen ein Belohnungseffekt, der sich immer mehr verstärkt, je häufiger die Angst vermieden wird.
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2
Genetische Faktoren
Andere Forschende gehen vor allem von genetischen Faktoren aus. Sie glauben, dass Ängste vorrangig nicht erlernt werden, sondern dass eine Veranlagung besteht. Sie gehen davon aus, dass das autonome Nervensystem und das limbische System anders reagieren als bei gesunden Menschen. So sind Betroffene meist ängstlicher oder sie reagieren viel stärker auf bestimmte Reize und somit auf Angst. Zudem scheint die Balance zentraler Botenstoffe im Gehirn, wie Serotonin, Noradrenalin oder Gamma-Aminobuttersäure, durcheinander zu sein, was gewisse Symptome erklären kann.
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Körperliche Faktoren
Einige Krankheiten und chronische Erkrankungen können die Entwicklung einer Phobie begünstigen. Aber auch Rauchen scheint begünstigend zu wirken.
Angst im engen Raum: Ein Blick auf die Symptome
Das Hauptsymptom der Klaustrophobie ist ein übermäßiges Gefühl der Angst, das in bestimmten Situationen, beispielsweise in engen Räumen, auftritt. Dieses kann häufig zu Panikattacken führen. Daneben können eine ganze Reihe körperlicher und psychischer Symptome auftreten, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Nicht jedes Symptom muss bei jeder Person zutreffen, jedoch müssen mindestens zwei auftreten, damit von einer Klaustrophobie gesprochen werden kann.
Zu den körperlichen Symptomen zählen:
- Herzrasen oder Hyperventilation
- Hitzewallungen, Schweißausbrüche oder Kälteschauer und Zittern
- Kribbeln oder Gefühllosigkeit in den Gliedern
- Mundtrockenheit
- Atembeschwerden bis hin zu Atemnot
- Beklemmungsgefühl oder Schmerzen in der Brust
- Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit bis hin zu Erbrechen
- Starker Harn- sowie Stuhldrang
Psychische Symptome können sein:
- Gefühl der Unsicherheit oder Schwäche bis hin zu Benommenheit und Schwindel
- Gefühl der Derealisation oder Depersonalisation, also das Gefühl die Umwelt oder man selbst sei nicht real
- Angst vor Kontrollverlust
- Das Gefühl verrückt zu werden
- Das Gefühl in Ohnmacht zu fallen
- Angst zu sterben (dies meist in Folge einer Panikattacke)
Die starke Angst, verbunden mit teils schweren Symptomen, führt dazu, dass viele Betroffene Vermeidungsstrategien im Alltag entwickeln. Sie meiden Situationen und Orte, die die Angst auslösen, wodurch sie sich teils stark im Alltag einschränken. Dadurch leidet mitunter auch ihr Sozial- oder Berufsleben.
Diagnose, Behandlung & Verlauf
Wenn Sie mindestens zwei der Symptome dauerhaft feststellen und diese Sie in Ihrem Alltag beeinträchtigen, sollten Sie medizinisches Fachpersonal aufsuchen, um Ihre Symptome abklären zu lassen. Für die Diagnose einer Klaustrophobie ist neben den Symptomen aber auch die Dauer dieser ausschlaggebend.
Die erste Anlaufstelle kann der Hausarzt oder die Hausärztin sein. Sie können zunächst abklären, ob nicht doch eine körperliche Ursache zugrunde liegt. Dazu stehen ihnen einige Möglichkeiten zur Verfügung, wie beispielsweise die Untersuchung der Blutwerte, der Schilddrüse, des Herzens oder des Gehirns. Kann eine körperliche Ursache ausgeschlossen werden, können sie die Patient*innen an Therapeut*innen weiterleiten.
Psychoterapeut*innen können nun mithilfe von Gesprächen, gezielten Fragen und Beobachtungen eine konkrete Diagnose stellen. Dabei wird die Diagnose Klaustrophobie anhand der Kriterien im DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition) gestellt. Diese besagt, dass Patient*innen eine gravierende Furcht oder Angst aufweisen, die seit mindestens 6 Monaten in bestimmten Situationen oder gegenüber bestimmten Objekten auftritt. Zugleich müssen sie alle der folgenden Punkte erfüllen:
- Die Situation oder das Objekt löst fast immer unmittelbare Furcht oder Angst aus
- Die Situation oder das Objekt wird aktiv vermieden
- Die Furcht oder die Angst steht in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr
- Die Furcht, Angst und/oder Vermeidung verursachen bedeutendes Leiden oder beeinträchtigen das soziale/berufliche Leben wesentlich
- Die Angst hat keine andere (psychische) Ursache
Sobald die Diagnose gestellt wurde, kann eine gezielte Behandlung begonnen werden. Bei einer Klaustrophobie stehen verschiedene erprobte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die unter Umständen auch in Kombination angewendet werden können:
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1
Kognitive Verhaltenstherapie
Bei dieser Therapieform werden die kognitiven Ursachen der Raumangst gemeinsam mit dem*r Therapeut*in erforscht und daraufhin bearbeitet. Ziel ist herauszufinden, welche Denkmuster die Ängste auslösen und aufrechterhalten. Gleichzeitig sollen Strategien entwickelt werden, diese zu durchbrechen. So lernen Patient*innen dauerhaft mit ihren Ängsten umzugehen.
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2
Konfrontationstherapie (Exposition)
Bei der Konfrontationstherapie geht es darum, sich bewusst den Ängsten zu stellen. Dazu begeben sich Betroffene, gegebenenfalls gemeinsam mit dem oder der Therapeut*in in Situationen, die die Angst auslösen. Mithilfe von angstmindernden Techniken erfahren sie, dass die Angst nicht zum Kontrollverlust führen muss, sondern mit der Zeit auch wieder nachlässt.
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3
Psychotherapie
Bei einer Psychotherapie oder psychodynamischen Therapie ist das Ziel herauszufinden, welche inneren Konflikte der Angst zugrunde liegen. Diese werden zunächst aufgearbeitet und Betroffene lernen mit ihren Erfahrungen umzugehen.
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4
Entspannungstraining
Hier lernen Patient*innen sich mit Hilfe von Entspannungsübungen und Atemtechniken bei akuten Angstanfällen zu beruhigen. Auf diese Weise können die körperlichen Begleiterscheinungen und Panikattacken reduziert werden.
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5
Medikamentöse Behandlung
In manchen Fällen kann auch eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein. So können beispielsweise Benzodiazepine zum Einsatz kommen, die eine beruhigende Wirkung haben. Allerdings besteht ein hohes Risiko der Abhängigkeit, sodass diese Medikamente nur kurzfristig eingenommen werden dürfen. Auch Antidepressiva oder Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer haben sich bei Angststörungen als wirksam erwiesen.
Grundsätzlich verschwindet eine Klaustrophobie nie von alleine, jedoch ist sie mit der richtigen Therapie sehr gut behandelbar. Bei vielen Betroffenen verbessert sich die Situation bereits nach wenigen Sitzungen, jedoch ist es wichtig, sich den Ängsten regelmäßig zu stellen. Wenn Sie also selbst an einer Klaustrophobie erkrankt sind, scheuen Sie nicht davor, sich Hilfe zu suchen!
Wenn Sie sich über Ihre Erfahrungen mit einer Angststörung austauschen wollen oder wissen möchten was anderen Betroffenen geholfen hat, dann melden Sie sich in unserer EnableMe-Community an. Wir freuen uns auf Sie!
Tipps zum Umgang
Neben einer gezielten Therapie gibt es einige Strategien, die Sie anwenden können, um besser mit Ihrer Angststörung umzugehen:
- Stellen Sie sich der Angst: Auch wenn die Angst überwältigend scheint und unangenehme Gefühle auslöst, sollten Sie sich ihr stellen. Sie werden mit der Zeit merken, dass die Angst abnimmt. Beginnen Sie jedoch Schritt für Schritt und tasten Sie sich langsam an die Angst heran. Unter Umständen kann es Ihnen helfen, eine vertraute Begleitperson dabei zu haben.
- Akzeptieren Sie die Angst: Ein wichtiger Schritt, der Ihnen helfen kann, ist es, die Angst als solche zu akzeptieren – auch wenn das schwerfällt. Dabei kann es helfen, die Gedanken als solche wahrzunehmen und sie gegebenenfalls aus einer Außenperspektive zu betrachten. Es sind nämlich in erster Linie nur Gedanken.
- Bleiben Sie mit Ihrer Angst nicht alleine: Sie müssen sich Ihrer Angst nicht alleine stellen und es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten, wenn Sie diese benötigen. Neben einer professionellen Hilfe, können Sie sich auch an Familie oder Freunde wenden. Auch der Austausch mit Gleichgesinnten kann sehr wertvoll sein. Dazu stehen Ihnen beispielsweise Selbsthilfegruppen zur Verfügung. Wenn Sie auf der Suche nach einer geeigneten Gruppe in Ihrer Nähe sind, kann Ihnen die DASH Gruppensuche des Deutschen Angst-Hilfe e.V. helfen.