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Die besten Partys finden in der Küche statt

Die besten Partys finden in der Küche statt

Volker Westermann unterhält mit inklusiver Kochshow auf der REHAB
"Kochen & Kennenlernen“ mit diesen Schlagworten könnte man das Erfolgsrezept von Moderator Volker Westermann und seiner inklusiven Kochshow beschreiben. Er selbst bezeichnet sich als „Lobbyist für Inklusion“, schlägt Brücken zwischen Menschen mit und ohne Behinderung über persönliche Geschichten und Erlebnisse seiner Talkgäste. Persönlichkeiten stehen mit ihm am Herd, kochen und reden dabei über Dinge, die bewegen. Eine Prise Humor darf natürlich nicht fehlen, das ist ihm ganz wichtig. „Menschen öffnen sich beim Kochen“, so Westermann. „Und sie sind sehr authentisch, wenn sie schnippeln, brutzeln und rühren“. Für ihn verbindet sich im „Dinner for everyone“ seine Herzenssache, die Inklusion, mit seiner Leidenschaft, dem Kochen. „Inklusion schaffen wir nur gemeinsam“, bekräftigt der 43-jährige Moderator und Medienmacher.
Auf der REHAB vom 11. bis 13. Mai 2017 können Besucher ihn und seine prominenten Gäste – u.a. Schauspieler Samuel Koch, die Landesbehindertenbeauftragte Stephanie Aeffner oder Sandra Olbrich, Moderatorin der ZDF-Sendung „Menschen - das Magazin“ – zweimal täglich auf der Bühne im Kulturbistro live erleben. Die 19. Fachmesse für Rehabilitation, Therapie, Pflege und Inklusion findet in der Messe Karlsruhe statt. Weitere Informationen unter www.rehab-karlsruhe.de
Im Interview mit dem REHAB-Team sprach Volker Westermann über seine Herzenssache, die Inklusion, und seine Passion, das Kochen…
Volker, was bedeutet Inklusion für Sie ganz persönlich?
Inklusion ist leider ein Modebegriff geworden und wird zu häufig nur im politischen Diskurs verwendet. Für mich ist Inklusion aber viel mehr – sie ist Freude an der Begegnung, Spaß haben, gemeinsam lachen und das Leben genießen. Ich habe mit meinem Kochprogramm festgestellt, dass die besten und intensivsten Gespräche oft in der Küche und am Herd stattfinden und die Küche quasi der Inklusionstreffpunkt schlechthin ist.  
…und was kann jeder Einzelne dazu beitragen?
Häufig fehlt die Bereitschaft, füreinander da zu sein; der eigene Alleingang ist anscheinend der Schlüssel zum Lebensglück. Ich denke, dass Offenheit und ein wacher Blick für sein Umfeld einen großen Beitrag zur Förderung von Inklusion sein kann. Außerdem spielt Lebensfreude hier auch eine nicht unerhebliche Rolle. Mit einer eigenen positiven Einstellung zu sich und seinem Leben, ist es sicher einfacher auf Mitmenschen zuzugehen – und das ist der Beginn von Inklusion.
Haben Sie einen Eisbrecher, der sicher funktioniert?
Vielleicht einen Eisbecher als Eisbrecher? Spaß beiseite, ich versuche offen auf die Menschen zuzugehen, Ihnen mit Respekt und Freundlichkeit zu begegnen. Oft liegt es nämlich nicht an den NICHTbehinderten Menschen, dass Inklusion nicht funktioniert, sondern an genau denen, die immer nur laut protestierend nach ihren Rechten schreien. Klar ist das wichtig, notwendig und natürlich auch ein harter Kampf – doch ebenso problematisch. Mir gefällt zum Beispiel die Veranstaltung „Europäischer Protesttag der Menschen mit Behinderung“ aufgrund der Titulierung gar nicht. Das schreckt ab und grenzt aus! Ich versuche die Menschen einzuladen, sich in „meiner“ Welt umzuschauen, sich Dinge, die ich vielleicht anders mache als andere, anzusehen und lasse sie meine Lebensfreude spüren. Irgendwann dann kommt der Punkt, an dem die Inklusion vom Kopf ins Herz geht. Da spielt dann auch häufig der kulinarische Genuss, ein schönes Glas Wein und ein gutes Essen eine Rolle.
…und andersherum: Gibt es für Sie Tabus oder Fragen zur Behinderung, die nicht gestellt werden sollten?
Da kommt es darauf an, wer das in welchem Zusammenhang fragt. Ein plumpes „kannst Du auch Sex haben?“ bei der ersten Begegnung ist jetzt vielleicht nicht so der Bringer. Genauso unpassend finde ich Fragen zu meiner Behinderung per Facebook-Nachricht, die man sich eigentlich auf jeder Infoseite ergoogleln kann. Mich haben auch schon Fragen zu meinem Rollstuhlmodell nachts um zwei Uhr ereilt – das ist dann auch eher weniger prickelnd.
Wann ist Inklusion „aufgedrückt“?
Immer dann, wenn wir mehr darüber reden, als zu handeln!
Was wollen Sie anders machen?
Ich möchte Menschen einladen, zusammenzukommen, möchte sprichwörtlich eine offene Tür haben, mir Zeit für Freunde, Familie und Bekannte nehmen und einen Platz zum Verweilen anbieten.  
Sie reisen ja für Ihr Leben gerne…Gibt es Länder, in denen besonders „easy“ oder „schwerfällig“ mit dem Thema „Behinderung“ umgegangen wird?
Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?
Eigentlich geht man mit Behinderung in den meisten Ländern außerhalb Europas völlig anders um. Ein tolles Erlebnis hatten wir in Malaysia, wo uns ein Taxifahrer zu einem Tempel mit gefühlten tausend Stufen brachte, dann ausstieg, um uns dann zusammen mit Gästen vom Kreuzfahrtschiff eben diese unüberwindbaren Treppen hochzutragen. Oben angekommen sagte er zu uns: „Ich hole jetzt mal den Wagen nach oben, damit ihr wieder bequem einsteigen könnt!“ Er hätte uns ja gleich oben absetzen können, aber er WOLLTE UNS dieses einmalige Erlebnis, die ganze Tempelanlage zu sehen, ermöglichen. Das war extrem bewegend. Genauso in Brasilien, wo jeder Bus ein Rolli-Zeichen hat, aber nie eine Rampe funktioniert. Kurzerhand stiegen sechs Jugendliche aus und trugen uns in den Bus. Doch nicht nur das, sie fuhren mit uns zu der Haltestelle, an der wir aussteigen wollten – nur um uns zu helfen. Sie wollten eigentlich ganz woanders hinfahren und fuhren dann einfach wieder zurück. Würde das so in Deutschland funktionieren? Wahrscheinlich nicht. Hier macht man sich Gedanken über Sicherheitsbestimmungen, Vorgaben und Gesetze, wenn etwas aus der Norm fällt. DAS ist einer der Gründe, weshalb wir mit der Inklusion so sehr am Anfang stehen.
Was bringen Sie am liebsten von Ihren Reisen mit?
Kein Witz – neben phantastischen Eindrücken und Erlebnissen (siehe Frage zuvor), Schuhe und Baileys! Wir sind große Sneaker-Fans und kaufen in fernen Ländern immer besonders ausgefallene Exemplare, die es hier nicht gibt. Genauso ist's mit dem Sahnelikör :-D
Wie kamen Sie zum Kochen? Oder das Kochen zu Ihnen?
Ich war in einer Ganztagsschule mit einer grausigen Kantine. Und abends immer nur aufgewärmtes Essen zu verzehren, war mir dann auch nicht immer recht. So kam es, dass ich immer, wenn ich in irgendeinem Restaurant etwas richtig Leckeres gegessen habe, den Koch rufen ließ, der mir dann häufig verriet, wie er das Gericht gekocht hat. Zu Hause probierte ich das nach zu kochen, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Später hatte ich außerdem die Chance, bei Alfred Bioleks „alfredissimo!“ zu hospitieren und lernte viel über die redaktionelle Arbeit, aber auch über gute Rezepte und köstlichen Wein. Bis heute verbindet mich mit dem inzwischen 82-jährigen eine enge Freundschaft.
Wer oder was hat Sie auf die Idee zu einer inklusiven Kochshow gebracht? Gab es ein Schlüsselereignis?
Am Anfang stand ja meine Kochsendung „dinner for everyone“, die ich gemeinsam mit dem Redaktionskollegen Michael Bernstein im Jahr 2008 entwickelte. Wir produzierten 24 Folgen, ein paar davon auch mit Live-Publikum. Fünf Jahre später erhielt ich eine Anfrage von einer großen Stiftung in Berlin, ob ich auch Live-Events moderieren und anbieten würde. Die Idee des Inklusiv-Kochen-Programms war geboren. Denn der direkte Kontakt zu den Menschen war etwas ganz Neues und Charmantes und wertete für mich meine Fernseharbeit auf. Genuss lässt sich so viel besser transportieren und gemeinsam schmeckt's ja bekanntlich am besten!  
Wir sind natürlich auch neugierig: Welcher Gast war besonders spannend? Welche Geheimnisse haben Sie Menschen beim Kochen schon entlockt?
Natürlich gibt es bei TV Produktionen immer wieder lustige Anekdoten, manchmal sogar auch Zickereien der Gäste. Eine besondere Ehre war es natürlich, den Altmeister der TV Kochshows, Alfred Biolek, zu begrüßen, der sonst in keine Talkshow ging. Eine große Bereicherung war auch Martina Hell, eine blinde kochbegeisterte Dame, die mit Yared Dibaba, einem dunkelhäutigen Moderator des NDR gekocht hat. Martina Hell war aufgrund ihrer Sehbehinderung natürlich völlig egal, welche Hautfarbe Yared hatte - das gab der Sendung einen ganz besonderen Charme. Lustig war in dieser Folge auch noch, dass sie Ingwer reiben sollte und Yared und ich vergessen hatten, ihr Bescheid zu sagen, wann sie aufhören sollte. Nach 10 Minuten und einem riesen Berg geriebenem Ingwer fragte sie, wann sie denn aufhören könne. Das sind so lockere und ungezwungene Begegnungen, aus denen ich auch meine berufliche Energie schöpfe.
Was ist Ihre Unterhaltungsstrategie? Wie unterhalten Sie ohne auf der Behinderung „herumzureiten“ und sie doch zu thematisieren?
Ich glaube, wenn man sich darüber Gedanken macht, ist man plötzlich nicht mehr wirklich unterhaltend. Der Reiz an meiner Tätigkeit ist das gewisse Unkalkulierbare. Jeder Gast ist anders, es gibt immer wieder spannende Wendungen und Überraschungen. Deshalb stehe ich auch nicht gerne alleine auf der Bühne. Ein auswendig gelerntes Programm wäre gar nichts für mich. Meine Events leben von der Kommunikation, den Zwischentönen und in weiten Teilen auch von der Spontaneität. Es ist natürlich erst einmal immer blöd, wenn beispielsweise in der Küche etwas misslingt, nimmt man es aber spontan als Programmteil auf, ergeben sich ganz neue Wendungen, die auch den Gesprächsverlauf beeinflussen können. Wenn die Gäste dann auch noch Humor mitbringen, funktioniert das Ganze wunderbar – gelungene Gerichte inklusive!
Und welche persönlichen Eigenschaften bringen Sie nur beim Kochen zum Vorschein?
Womöglich Geduld. Die habe ich sonst eher weniger. Aber beim Einkochen einer Bolognese entwickeln sich geradezu meditative Momente – das ist eine schöne Zäsur für mich und lässt mich den Stress und die Hektik etwas vergessen.  
Zur Person
Volker Westermann hat Glasknochen, ist kleinwüchsig und sitzt im Rollstuhl. Der 43-Jährige ist in Birkenau im Odenwald aufgewachsen. Seine Eltern waren bei Gründung der Deutschen Gesellschaft für Glasknochenbetroffene dabei. Nach dem Studium der Medienpädagogik und einem Volontariat bei Bravo TV, zog es ihn nach München, wo er für die „Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien“ als Redakteur und Cutter tätig war. Während einer Hospitanz bei Alfred Biolek schnupperte er „Kochstudio-Luft“ und entwickelte die Idee zu seiner heutigen You-Tube-Sendung „Dinner for everyone“. Als Inklusionslobbyist gründete er die gemeinnützige Produktionsgesellschaft „Inclutainment Media“. Heute ist er in ganz Deutschland mit dem Format „inklusiv-kochen“ unterwegs und gibt der Kampagne der CAP-Märkte „Frischeköpfe“ sein Gesicht.