Medizinischer Fitnesstrainer mit Hemiparese: Ein Interview
Bei einer Hemiparese handelt es sich um eine unvollständige Lähmung einer Körperhälfte. Auch unser heutiger Interviewpartner hat eine Hemiparese und ist medizinischer Fitnesstrainer. Daher sprechen wir heute über Sport und auch Inklusion und Barrierefreiheit im Sportbereich.

Persönlicher Erfahrungsbericht (EnableMe)
Ich bin jemand, der mit einer spastischen Hemiparese lebt – einer neurologischen Erkrankung, die bei mir die linke Körperhälfte betrifft. Trotz vieler Herausforderungen habe ich gelernt, damit umzugehen und meinen eigenen Weg zu finden. Heute bin ich ausgebildeter Trainer im Bereich medizinisches Fitnesstraining und setze meine Erfahrungen dafür ein, anderen zu helfen, ihre körperlichen und mentalen Grenzen zu verschieben.
In der Schule habe ich mich oft „besonders“ behandelt gefühlt – sowohl von Lehrerinnen als auch Mitschülerinnen. Ich hätte mir mehr Normalität gewünscht, mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten und weniger übervorsichtige Rücksicht. Es war frustrierend, ständig darauf reduziert zu werden. Gleichzeitig hat mich das aber auch angespornt, über mich hinauszuwachsen.
Gebt nicht auf – weder euch selbst noch eurem Kind gegenüber. Der Weg kann hart sein, voller Therapie und Rückschläge, aber er ist auch voller Möglichkeiten. Unterstützt euer Kind liebevoll und mit Geduld. Mit dem richtigen Umfeld und positiver Motivation kann euer Kind über sich hinauswachsen.
Mein sportlicher Weg begann mit Judo, einer Disziplin, die mir Struktur, Disziplin und vor allem Selbstvertrauen gegeben hat. Später entdeckte ich das Krafttraining – und damit nicht nur eine Möglichkeit, meine körperlichen Defizite zu verbessern, sondern auch eine Art, mental stärker zu werden. Sport ist für mich Ausdruck von Freiheit, Kontrolle und persönlicher Entwicklung.
Es gibt körperliche Barrieren – z.B. Beweglichkeitseinschränkungen – aber auch fehlendes Wissen bei Trainer*innen, mangelnde inklusive Angebote oder einfach eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit meiner Einschränkung. Vieles davon lässt sich durch Aufklärung und Erfahrung überwinden.
Inklusion im Sport ist definitiv noch ausbaufähig. Es fehlt häufig an speziell geschultem Personal, angepassten Trainingsplänen oder barrierefreien Strukturen. Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass sich etwas bewegt – gerade durch Menschen, die selbst betroffen sind und aktiv daran arbeiten, das System mitzugestalten.
Durch gezieltes Krafttraining konnte ich nicht nur meine schwächere Körperhälfte stärken, sondern auch meine allgemeine Haltung, Koordination und Ausdauer verbessern. Aber das Wichtigste: Ich habe an Selbstvertrauen gewonnen und gelernt, was mein Körper alles kann – trotz Einschränkungen.
Der große Vorteil ist, dass ich ganz gezielt an meinen Schwächen arbeiten kann. Ich kenne meine körperlichen Besonderheiten genau und kann so individuelle Pläne erstellen, die wirklich wirken – sowohl für mich selbst als auch für andere mit ähnlicher Diagnose. Das Wissen um meine eigene Situation hilft mir dabei, effektive, machbare und motivierende Trainingskonzepte zu entwickeln.
Ja, definitiv. Ich habe gelernt, bewusster mit Stress umzugehen – zum Beispiel durch Sport, aber auch durch Entspannungsübungen und mentale Techniken. Wichtig ist für mich, rechtzeitig zu erkennen, wenn sich Stress anbahnt, und frühzeitig gegenzusteuern.
Die spastische Hemiparese gehört zu mir, aber sie definiert mich nicht. Ich möchte zeigen, dass Einschränkungen nicht das Ende, sondern oft der Anfang eines besonderen Weges sind. Jeder Mensch hat seine Herausforderungen – entscheidend ist, wie man ihnen begegnet. Ich wünsche mir mehr Offenheit, Mut und den Blick auf das, was möglich ist, statt auf das, was vermeintlich nicht geht.
Und genau deshalb ist es mir ein Herzensanliegen, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben – egal ob mit oder ohne Handicap. Ich biete Personal Training und Online-Coachings an, um Menschen individuell auf ihrem Weg zu begleiten und dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten.