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Homosexualität und Behinderung

Menschen mit Behinderung, die nicht heterosexuell sind, sind von einer Mehrfachdiskriminierung betroffen. Aus Angst vor noch stärkerer Ausgrenzung erleben lesbische, schwule und bisexuelle Menschen mit Behinderung ihr Coming-Out durchschnittlich wesentlich später als Menschen ohne Behinderung. Auch erfahren sie in der queeren Szene Ausgrenzung und werden oft nicht mitgedacht.

Eine Frau mit Regenbogen auf ihrem Auge, die ihren Kopf vertrauensvoll auf einer Hand ablegt. | © Anna Shvets/ Pexels

Menschen mit Behinderung, die nicht heterosexuell sind, haben noch mehr gesellschaftliche Vorannahmen zu überwinden. (Anna Shvets/ Pexels)

Die Schwierigkeiten, mit denen sich homo- und bisexuelle Menschen mit Behinderung konfrontiert sehen, sind facettenreich. Teilweise unterscheiden sie sich nicht von denen, die auch homosexuelle Menschen ohne Behinderung haben, teilweise entstehen aufgrund der Behinderung neue. Zusätzlich hat ein Großteil der Bevölkerung noch immer Probleme damit, Menschen mit Behinderung eine eigenständige Sexualität zuzugestehen. Dass diese dann auch noch schwul, lesbisch oder bisexuell sein können, ist für viele undenkbar.

Inneres, äußeres und doppeltes Coming-out

Das Coming-out kann für jede homosexuelle Person, egal ob mit oder ohne Behinderung, eine schwierige Zeit darstellen. Es wird zwischen innerem Coming-Out – der eigenen Erkenntnis, nicht heterosexuell zu sein – und dem äußeren, also dem Bekanntgeben der sexuellen Orientierung an die Mitmenschen, unterschieden.

Kommt dann noch eine Behinderung ins Spiel, kommt ein weiteres Coming-Out hinzu: „Die Bezeichnung des doppelten Coming-Out umschreibt den Prozess, dass Lesben und Schwule mit Behinderungen sich einerseits im Behindertenkontext als homosexuell liebend outen müssen und andererseits im lesbisch-schwulen Kontext als behindert“.

Thomas Rattay, Referent für Jugendliche mit Behinderung vom deutschen Jugendnetzwerk LAMBDA, kennt diese Problematik sehr gut: „In der Regel findet bei Jugendlichen ohne Behinderung das äußere Coming-out zwischen 15 und 17 Jahren statt. Heranwachsende mit Behinderung outen sich später, meist erst mit Anfang, Mitte 20. Daran sieht man, dass sich ihre Entwicklung an diesem Punkt verzögert, weil sie zwei Herausforderungen meistern müssen.“ Auch die Studie "Doppelt anders" bestätigt diese Erfahrungswerte: ihr Outing erleben Menschen mit Behinderung durchschnittlich sechs Jahre später als Menschen ohne Behinderung.

Fehlende Barrierefreiheit

Das Leben der queeren Szene konzentriert sich stark auf die Großstädte. In Bars, Diskotheken oder anderen Szenelokalitäten wie beispielsweise speziellen Saunen für schwule Menschen kann sich ausgetauscht und Kontakte geknüpft werden. Allerdings sind diese Orte häufig nicht barrierefrei. „So haben zum Beispiel Rollstuhlfahrer, deren Möglichkeiten ohnehin schon begrenzt sind, noch weniger Chancen, sich in die Szene zu integrieren“, sagt Rattay. Er kennt das Problem aus eigener Erfahrung, denn das LAMBDA-Büro liegt im zweiten Stock – ohne Aufzug.

Eine Minderheit innerhalb der Minderheit

Schwierigkeiten mit seiner Behinderung hat Marc* nicht. Als Kind verlor er bei einem Unfall einen Arm. Seine sexuelle Präferenz für Männer bemerkte er mit 18 Jahren. Eher zufällig geriet er in die Schwulenszene: „Ich musste aufs Klo und ging auf eine öffentliche Toilette. Dort standen links und rechts von mir zwei Männer, die nichts taten. Irgendwann fingen sie an zu onanieren, worauf ich mit dem einen in der Kabine verschwand. Das war sozusagen mein erstes Mal mit einem Mann.“

Einmal wöchentlich leitet er eine Gruppe für schwule Männer mit Behinderung und kennt aus vielen Beratungsgesprächen die häufig auftretenden Probleme. Oft hört er dabei von Depressionen, Suchtproblemen oder dem Versuch, die Behinderung zu kaschieren – oder er hört: nichts. Denn manchmal würden sich Schwule mit Behinderung auch aus Furcht vor Abweisung innerhalb der Szene völlig isolieren und die eigene Homosexualität verdrängen. „Leider ist es so, dass eine Minderheit innerhalb einer Minderheit ausgegrenzt wird“, stellt Raidl fest.

Fehlende mediale Sichtbarkeit

Menschen, insbesondere Jugendliche mit Behinderung benötigen Identifikationsmöglichkeiten, um mit ihrer doppelten Diskriminierung umgehen zu können. Nicht nur sind Menschen mit Behinderung medial stark unterrepräsentiert, trifft das auf homosexuelle Menschen mit Behinderung noch stärker zu. Eine stärkere (mediale) Sichtbarkeit von homosexuellen Menschen mit Behinderung ist sehr wichtig, damit diese sich gesehen und repräsentiert fühlen und sie darin bestätigt werde, dass das, was sie fühlen und wie sie lieben, völlig in Ordnung und absolut normal ist.

Integrieren statt ausgrenzen

Um dazu beizutragen, die vorliegenden Missstände zu beheben, hat das Jugendnetzwerk LAMBDA eine integrative Jugendfreizeitgruppe gegründet. Das Projekt soll jungen LSBT-Menschen mit und ohne Behinderung eine politische Stimme geben – und damit Bedürfnisse fördern sowie Sichtbarkeit schaffen.


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